Schmerzhaft weiß

■ Marguerite Duras' "Die Krankheit Tod", inszeniert von Elke Lang

Die Frau liegt nackt in der Mitte. Aus ihrem Mund rinnt Blut, während der Mann Sand auf ihren Körper rieseln läßt. Nach dem Lichtwechsel ist sie weg und geht wie schlafwandlerisch einige Schritte an der blendend weißen Rückwand. An der Stelle, wo sie lag, bleibt ein kleiner Blutfleck und eine Sandsilhouette auf dem Boden. Später wird sich der Mann an dieselbe Stelle legen, die Silhouette nachformen und sich so plazieren, daß das Blut von ihm stammen könnte. Am Ende sieht man es nicht mehr. Aus dem rechteckigen Bühnenraum ist ein enges Dreieck geworden, nachdem die Rückwand kaum merklich wie ein Uhrzeiger nachschwenkte, bis sie an einer Seite die Zuschauerreihen erreichte. Ein einstündiger Theaterabend ist zu Ende, in dem Elke Lang Marguerite Duras' „Die Krankheit Tod“ zu übersetzen versuchte – nicht wie Peter Handke in die deutsche Sprache, sondern in Bewegung und Licht, in Zeichen und Symbole.

Die Körper von Mann und Frau scheinen austauschbar, jedes Zeichen, das der eine setzt, wird vom anderen wiederholt. Utensilien wie eine Perlenkette wechseln den Träger, denn es geht nicht um den Unterschied der Geschlechter, sondern um eine Versuchsanordnung. Manuela Biedermann und Douglas Becker sprechen zwar hin und wieder Textfetzen aus Marquerite Duras' „Die Krankeit Tod“, vor allem aber taxieren sie sich aus der Distanz und wirken mit zunehmender Nähe isolierter. Das ist die Grundbedingung der Versuchsanordnung und des Vertrages, den der Mann mit der Frau schließt: Emotionale Nähe gibt es nicht, für ihn geht es um die Erkundung des weiblichen Körpers, für sie darum, nur Körper zu sein – zu schlafen, aufzuwachen und alles geschehen zu lassen. Dafür bezahlt er. Allerdings ist er kein Freier im üblichen Sinn.

Mit „Die Krankheit Tod“ schrieb Marguerite Duras Anfang der 80er Jahre eines ihrer auf zwei Personen konzentrierten Kurzprosastücke, mit dem es ihr nach eigenem Bekunden um einen homosexuellen Mann geht, der zum erstenmal den weiblichen Körper erkundet. Mit fremdem Blick und, wenn er in sie eindringt, mit fremdem Gefühl. Peter Handke wollte es verfilmen, die Duras hat es mit der Begründung untersagt, Handke habe nicht begriffen, daß es sich um einen homosexuellen Mann handle. Uraufgeführt wurde der Text vor einem Jahr von Bob Wilson an der Schaubühne, Elke Lang ist die zweite, die sich an dieses Prosastück wagt, das sich so sehr gegen die szenische Umsetzung sperrt.

Sie hat schon einmal solch einen spröden Text inszeniert, Pasolinis „Orgia“, ein zwar dialogisch angelegtes, aber dennoch der „Krankheit Tod“ eng verwandtes Stück. Anders als bei „Orgia“ läßt sie diesmal nicht die Schauspieler selbst sprechen, sondern trennt Körper und Sprache. Manuela Biedermann und Douglas Becker spielen, während Elke Lang und Michael Greiling am Spielrand abwechselnd den Text lesen. Keine kluge Entscheidung, denn so entsteht diesmal keine dichte Bühnenatmosphäre. In der Pasolini- Inszenierung wurden Bedrohung und Abstoßung, Lust und Anziehung durch das Sprechen von Mann und Frau präsent, die sich gegenüberstanden. Jetzt passiert genau das Gegenteil. Man sitzt in Elke Langs fast schon schmerzhaft weißem Raum und empfindet die kleinen Sensationen, wenn in solch einem Raum Licht und Dunkelheit wechseln. Ansonsten aber sieht man Manuela Biedermann und Douglas Becker zu. Und irgendwo waren da noch Elke Langs und Michael Greilings Stimmen – und der gesprochene Text. Jürgen Berger

Marguerite Duras: „Die Krankheit Tod“. Regie und Raum: Elke Lang. Kostüme: Beatrix von Pilgrim. Mit Manuela Biedermann, Douglas Becker, Michael Greiling, Elke Lang. Theater am Turm, Frankfurt. Weitere Vorstellungen: 19. bis 27.Februar.