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■ Die Genfer Ex-Jugoslawien-Konferenz wird unterbrochenEin Euphemismus und bittere Realität

Allenthalben wird nun das aus drei Abkommen bestehende Paket, das Vance und Owen den Führern der drei bosnischen Kriegsparteien am Montag abend zur Unterzeichnung vorgelegt haben, als „Friedensplan“ gehandelt. Ein euphemistisch-verlogenes Etikett für Dokumente, die ihnen in dieser Form genauso schon im September hätten vorgelegt werden können. Bereits damals hatten alle drei Seiten ihre Vorstellungen sowohl über die künftige Landkarte wie über die Essentials einer neuen Verfassung Bosnien-Herzegowinas schriftlich fixiert. Der einzig greifbare Erfolg der drei Verhandlungstage: die militärischen Kommandeure der drei Seiten einigten sich über Details einer Waffenstillstandsvereinbarung, deren Grundprinzipien die politischen Führer bereits auf der Londoner Konferenz im August unterzeichnet hatten. Ansonsten bewegte sich nichts. Mit einer großen Ausnahme: Präsident Izetbegović, durch die militärischen Erfolge der Serben während der letzten vier Verhandlungsmonate völlig in die Defensive geraten, akzeptierte nun die von Vance und Owen vorgelegte Karte zur Aufteilung Bosnien-Herzegowinas in ethnisch definierte Provinzen als Verhandlungsgrundlage. Eine solche Aufteilung aber bedeutet – unabhängig ob in genau der vorgeschlagenen Form oder mit einigen von Izetbegović verlangten Grenzkorrekturen – mittelfristig den Zerfall des Einheitsstaates Bosnien-Herzegowina. Auch wenn dieser in der künftigen Verfassung des Landes noch einmal festgeschrieben wird. Es ist daher nicht auszuschließen, daß der bosnische Präsident dieses große, bereits in seiner Genfer Delegation heftig umstrittene Zugeständnis zu Hause nicht durchsetzen kann und bei Wiederaufnahme der Verhandlungen am Sonntag wieder davon abrückt. Darauf setzt ganz offensichtlich Serbenführer Karadžić, der nun wieder als der große Verweigerer dasteht, weil er am Montag als einziger alle drei Teile des Abkommens nicht akzeptierte und seine Forderung nach einem bosnisch-serbischen Teilstaat bekräftigte.

Doch selbst wenn nächste Woche in Genf ein Wunder geschehen sollte und alle drei Seiten das Abkommen unterschreiben: es ist nicht mehr als ein Überlebensplan – nicht für den multiethnischen Einheitsstaat Bosnien-Herzegowina, aber vielleicht doch für einige hunderttausend seiner Bewohner, die bei einer schnellen Umsetzung der Waffenstillstandsvereinbarung in den nächsten Monaten vielleicht vor dem Tod durch Kälte, Hunger oder Bomben bewahrt werden können. Und das wäre schon sehr viel. Nach all den schweren Fehlern und Unterlassungen der westlichen, gerade auch der bundesdeutschen Jugoslawienpolitik seit Titos Tod und vor allem in den letzten 18 Monaten seit Beginn des jugoserbischen Krieges gegen Slowenien ist jetzt nicht mehr drin. Das ist die bittere, schwer zu akzeptierende Realität. Andreas Zumach, Genf

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