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Ein „völlig falsch plaziertes AKW“

■ Schwedens Umweltminister fordert ausländische Regierungen zu Protest auf

Stockholm (taz) – Gegen das Wiederanfahren des Atomkraftwerks Barsebäck bei Malmö hat gestern in Stockholm selbst Schwedens Umweltminister Olof Johnasson protestiert. Für zwei der fünf stillgelegten Reaktoren hatte die schwedische Kernkraftwerksinspektion (SKI) am Montag wieder die Betriebserlaubnis erteilt, nachdem das AKW nach einem Fast- GAU im Sommer abgschaltet worden war. Johnasson forderte gar ausländische Regierungen auf, bei seinem eigenen Regierungschef Per Bildt gegen die Betriebsgenehmigung für die „völlig falsch plazierten AKW“ zu protestieren.

Das tat denn auch umgehend der dänische Innenminister Thor Pedersen: „Das Völkerrecht gibt mir leider nicht die Möglichkeit, den Verteidigungsminister aufzufordern, Flotte und Luftwaffe gen Schweden zu schicken. Obwohl ich große Lust hätte, das zu tun.“

Das AKW Barsebäck liegt in Sichtweite der dänischen Millionenstadt Kopenhagen auf der schwedischen Seite des Öresund in einem dichtbesiedelten Gebiet. Im Sommer hatten Tonnen von Mineralwolle das Notkühlsystem verstopft. Jetzt wurde eine zusätzliche Wasserleitung gelegt, die bei einem ähnlichen Störfall für eine Stunde die Notkühlung sicherstellen können soll. In dieser Zeit, so die SKI, könnten etwaige Verstopfungen beseitigt und während des Ausfalls der Notkühlung eine Kernschmelze vermieden werden.

Bis zum Sommer sollen die Altreaktoren, die eigentlich als erste schwedische AKW stillgelegt werden sollten, auf jeden Fall weiterlaufen, „ein Spiel mit Menschenleben“ aus finanziellen Gründen, wie die schwedischen Grünen meinen.

Um Geld geht es dabei tatsächlich. Die AKW-Betreiberfirma Sydkraft gibt an, seit dem staatlich verordneten Betriebsstopp am 17. September etwa 500 Millionen Kronen (120 Millionen DM) verloren zu haben, weil sie teureren Strom aus Dänemark importieren mußte, um die Kapazität der ausgefallenen Reaktoren zu ersetzen. Wegen der Kälte befürchtet der Stromversorger, bald den Strom rationieren zu müssen.

Tatsächlich gibt es in Schweden aber kein Strom-, sondern allenfalls ein Leitungssystem, weil die Stromtrassen von Nord- nach Südschweden nicht ausreichend dimensioniert sind, um die im Norden überreichlich vorhandene Energie in den bevölkerungsreicheren Süden zu transportieren. Das eigentliche Stromproblem Schwedens ist allerdings die Verschwendung: das Land verbraucht pro Kopf der Bevölkerung dreimal soviel Strom wie der EG-Durchschnitt. Reinhard Wolff

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