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Die FDP-Würfel sind längst gefallen

■ Rexrodt wird neuer Wirtschaftsminister, Kinkel FDP-Chef und voraussichtlich Vizekanzler/ All das ist intern bereits ausgemacht, offiziell zieren sich Parteispitze und Kandidaten jedoch noch

Bonn/Hamburg/Stuttgart (AP/ AFP/dpa) – Das große Rätselraten nach dem Rücktritt Jürgen Möllemanns hat gestern ein Ende gefunden. Für jeden freiwerdenden Posten fand sich erwartungsgemäß ein Favorit. Wie aus Parteikreisen in Bonn zu erfahren war, einigte sich die FDP-Spitze offenbar auf Treuhand-Vorstandsmitglied Günter Rexrodt als neuen Bundeswirtschaftsminister. Eine endgültige Entscheidung darüber, ob der stellvertretende Berliner Landesvorsitzende Rexrodt den Karren der deutschen Wirtschaft demnächst aus dem Dreck ziehen soll, treffen die FDP-Gremien allerdings erst am Freitag.

Mit den Worten „Ich werde tun, was alle erwarten“ bestätigte Außenminister Klaus Kinkel schon Montag abend am Rande des baden-württembergischen FDP- Landesparteitages in Stuttgart, daß er gedenkt, die Nachfolge von FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff anzutreten. Neben dem Amt des Parteivorsitzenden soll er auch die Position des Vizekanzlers übernehmen. Öffentliche Erklärungen zum Parteivorsitz lehnte der Minister gestern jedoch weiterhin ab. Für die hat er sich die Kundgebung zum heutigen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart reserviert. Und ganz programmgemäß werden anschließend FDP-Chef Lambsdorff und Ex-Außen Hans- Dietrich Genscher seine Entscheidung begrüßen.

Die Posten von Wirtschaftsminister, liberalem Parteivorsitz und Deutschlands Vizechef sind so gut wie ausgekungelt. Doch wie steht es um Kohls Kabinett? Aus der Umgebung des Bonner Regierungschefs drang an die Ohren der AgenturjournalistInnen, der Kanzler wolle sein Kabinett voraussichtlich in der übernächsten Woche auf nur wenigen Posten umbesetzen. Als sicher gilt, daß der CDU-Bundestagsabgeordnete Jochen Borchert für Ignaz Kiechle (CSU) an die Spitze des Landwirtschaftsministeriums rücken wird. Der CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch soll das seit dem Rücktritt von Christian Schwarz- Schilling vakante Postministerium übernehmen. Darüber hinaus wird Kohl diesen Angaben zufolge nur noch ganz wenige Änderungen vornehmen, so voraussichtlich an der Spitze des Forschungsministeriums, wo Heinz Riesenhuber ausgetauscht werden soll.

Die Zahl der Minister wird also gleich bleiben, die der Parlamentarischen Staatssekretäre soll aber verringert werden. Der nur geringe Umfang der Regierungsumbildung wurde in Kohls Umgebung damit begründet, daß wichtige Ressorts wie das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt im Laufe des vergangenen Jahres ohnehin neu besetzt worden sind. Es habe also bereits eine „Kabinettsreform in Etappen“ gegeben.

Da erst am Freitag endgültig feststeht, wer sich künftig auf den Chefsessel des Wirtschaftsministeriums setzen soll, betonte FDP- Fraktionschef Hermann Otto Solms gestern noch einmal, daß es keine Vorfestlegung über die Nachfolge des zurückgetretenen Jürgen Möllemann gebe. Der brandenburgische Wirtschaftsminister Walter Hirche, der als weiterer möglicher Kandidat im Gespräch ist, will sich nach Angaben eines Sprechers beim Dreikönigstreffen zu einer möglichen Bewerbung äußern.

Und so bekundete unterdessen auch der stellvertretende FDP- Fraktionsvorsitzende Wolfgang Weng sein Interesse daran, neuer Wirtschaftsminister zu werden. Weng sagte am Rande des baden- württembergischen FDP-Landesparteitags, er kenne das Ressort aus seiner zehnjährigen Tätigkeit als Berichterstatter im Haushaltsausschuß und traue sich die Führung zu.

Der FDP-Chef von Sachsen- Anhalt, Peter Kunert, sprach sich im Mitteldeutschen Express dafür aus, einen Wirtschaftsminister aus den neuen Ländern zu berufen, der die Probleme vor Ort kenne. Bis Freitag spielt die FDP also noch das Spiel: Alles ist offen. Bis dann die gemeinsame Sitzung von Fraktion und Vorstand entscheidet.

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