: "Ihre Moral gibt Beispiel"
■ betr.: "Eine moralische Katastrophe" von Ralph Giordano, taz vom 2.1.93
Betr.: „Eine moralische Katastrophe“ von Ralph Giordano,
taz vom 2.1.93
Auch auf mich hatte die Kohl- Rede eine erschütternde Wirkung. Daher Dank an Herrn Giordano, der sich kraft seiner prominenten Stellung und seiner Formulierungskunst zum Sprecher von – hoffentlich – einigen Millionen Deutschen gemacht hat, die diesen Kanzler und seine Regierung für eine Katastrophe halten. [...] Dieter Bremer, Düsseldorf
Der gute Ralph Giordano sollte vielleicht erstmal die Einschaltquote von uns' Kanzler seine Neujahrsansprache checken, bevor er offene Briefe schreibt. Wer hat's gesehn? Ehrlich? Booah ey... Jürgen Klein, Erdmannhausen
Daß die Neujahrsansprache in bezug auf Form und Inhalt der Beliebigkeit anheimfallen würde, war zu erwarten (es soll sich allerdings um die zeitlich zutreffende Ansprache gehandelt haben); aber Helmut Kohl einfach zu unterstellen, er habe nicht – oder gar noch nie – die richtigen Worte zu den terroristischen Gewalttaten gefunden? Dabei hat er sich ganz klar geäußert:
„Die Gefahren, die von einzelnen Gruppen ausgehen, die sich verbunden haben, diesen Staat zu zerstören, werden bewußt oder ungewollt unterschätzt. (...) Denn der Boden, auf dem sich solches an geistigem Umfeld entwickeln konnte, wurde doch nicht nur jetzt in der kriminellen Szenerie bereitet. (...) Und die Ereignisse zeigen, daß diese Kriminellen immer noch schwimmen können, weil es immer noch genug Wasser gibt, und das darf nicht verharmlost werden. (...)“ Und weiter: „Wir alle stehen unter dem Eindruck schwerster und grausamster Verbrechen (...) Was in diesen Tagen geschehen ist, ist in seiner barbarischen Unmenschlichkeit [sic!] nicht zu begreifen. Die Taten haben erneut die ganze Brutalität und den blinden Fanatismus (...) offenbart. (...) Sie alle sind Opfer von Mordanschlägen geworden, die sich gegen uns alle, gegen alle Bürger, richten. (...) Wir müssen mit weiteren, nicht weniger schlimmen Gewalttaten rechnen. (...)“
Soweit Helmut Kohl vor dem Deutschen Bundestag am 20.April sowie am 20.Oktober 1977...
Auf die Frage von Ralph Giordano („Kann der politische Typus, den Kanzler Kohl personifiziert, kann der sich überhaupt von rechts bedroht fühlen?“, d.Red.) gibt es eine ziemlich eindeutige Antwort. O.Ziemßen, Hamburg
Sehr geehrter Herr Giordano, haben Sie wirklich etwas anderes erwartet als die nichtssagende, dümmliche Wiederholung aller Neujahrsansprachen des Herrn Kohl? Ich habe jegliche Hoffnung aufgegeben, daß unsere Politiker ihre Macht als etwas anderes begreifen als zur Sicherung ihrer eigenen Positionen. Mit „Macht“ dieser braunen Entwicklung entgegenzutreten, hieße ja berechenbar sein, und das könnte Wählerstimmen kosten!
Es ist eine Schande, was momentan in Deutschland an faschistischem Treiben auflebt und in nationalbrauner Soße geköchelt wird. Es ist eine noch größere Schande, wenn die „Volksvertreter“, die tödlich geängstigt sind von linkem Terrorismus (greift er doch eigene Machtpositionen an), den schon seit langen Jahren immer stärker und offener auftretenden rechten Terror als „kleine Gruppierung“ abtun, sich in ihren Aussagen „dem Volk rechts nähern“ und über alle Presseorgane stolz das Verbot seit Jahren bekannter, lächerlich kleiner Untergruppierungen der Nationalsozialistischen Vereinigungen bekanntmachen lassen. Rechter Terror greift die Staatsmächtigen nicht in ihren Karossen an, rechter Terror tötet Menschen, mit denen unsere Politiker nichts zu tun haben, außer, daß sie ihnen bei Debatten über Grundgesetzänderungen Schwierigkeiten machen!
Wo ist denn unser allseits so verehrter Herr Bundespräsident, der gefordert wäre, diesem Politikertreiben ein Ende zu bereiten? Er sitzt wahrscheinlich vorm Fernseher und freut sich, daß sein Volk mit Lichterketten „demonstriert“. Wer aus diesen Lichterketten gehört denn nicht zur „schweigenden Mehrheit“? Die Deutschen waren schon immer ein Volk autoritätshöriger Mitläufer, und machtbessene Demagogen wie unmoralische Verführer wußten sie für ihre Zwecke zu gewinnen. Ich schäme mich, in Deutschland geboren zu sein; einem Land, in dem nie jemand etwas gewußt hat, einem Land, in dem nie jemand an etwas beteiligt war, und einem Land, das sich die Politiker wählt, die „das Volk“ in seiner Selbstgefälligkeit auch noch bestätigen. [...] Gudrun Gratz-Fister, Mannheim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen