piwik no script img

Reaktion auf Umbruch

■ Keine politischen Ursachen für Rechtsextremismus in Sachsen?

Dresden (taz) – Eine „zügige und konzentrierte Verfolgung rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten“ bescheinigte gestern Ressortchef Steffen Heitmann (CDU) der sächsischen Justiz. Dafür würde sprechen, daß bis November 1992 gegen 1.070 Beschuldigte 645 Ermittlungsverfahren eingeleitet und 123 Haftbefehle erlassen wurden. Nach vorläufiger Statistik ergingen 159 Verurteilungen, davon 39 Freiheitsstrafen, 14 Geldstrafen und 106 jugendrechtliche Sanktionen.

Von Januar bis Oktober 1992 wurden in Sachsen 203 rechtsextremistisch motivierte Straftaten gezählt, das sind 82 mehr als im gesamten Jahr 1991. 41 Prozent der 1992 registrierten rechtsextremistischen Gewalttaten ereigneten sich in den neuen Bundesländern.

Heitmann, der zu Jahresbeginn als erster ostdeutscher Minister den Vorsitz der Justizministerkonferenz übernommen hat, sieht für die Zunahme rechtsextremistischer Gewalttaten keine politischen Ursachen. Statt dessen würde Gewalt von den meist jugendlichen Tätern „zur Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls“ und als „Reaktion auf die Überforderungssituation“ im neuen Deutschland angewendet. Heitmann äußerte Unverständnis gegenüber der „breiten Front“ der Ablehnung von Strafrechtsverschärfungen.

Sachsen unterstütze die derzeit diskutierten Gesetzesänderungen zur Verschärfung des Tatbestandes Landfriedensbruch, zur Aufnahme des Paragraphen 125a StGB, schwerer Landfriedensbruch, in den Katalog des Paragraphen 112a StPO, Haftgrund der Wiederholungsgefahr, sowie die Änderung des G-10-Gesetzes. Dies hätte zur Folge, daß die Tatbestände der Volksverhetzung, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Aufstachelung zum Rassenhaß in den Straftatenkatalog für die Befugnis zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs einbezogen werden.

Im gleichen Zusammenhang forderte Heitmann die „nachdrückliche Bekämpfung des Schlepperunwesens“. Dazu zählte er die Neufassung des Tatbestandes und die Erhöhung des Strafrahmens für „mißbräuchliche Asylantragstellung“ und die Neufassung eines Verbrechenstatbestandes für „gewerbs- und bandenmäßig“ begangenen „Asylmißbrauch“. Das Ausländergesetz sollte hinsichtlich der „Einschleusung von Ausländern“ und der „mißbräuchlichen Antragstellung in ausländerrechtlichen Verfahren“ geändert werden.

Auf Nachfrage bewertete Heitmann die Seiters-Initiative für die Radarüberwachung der Ostgrenze als „sehr guten und vernünftigen Vorschlag“. Er verstehe nicht, „warum nun wieder so ein Aufstand gemacht wird, als ob das was mit dem Asylkompromiß zu tun hätte“. dek

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen