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Wenig Sensibilität

■ betr.: "Mahnung zur Solidarität", taz vom 14.12.92, leserbrief "Einseitig für Menschenrechte", taz vom 19.12.92

Betr.: „Mahnung zur Solidarität“, 14.12.92 und Leserbrief „Einseitig für Menschenrechte“, 19.12.92

Die Reaktion auf die Erklärung von zwei oppositionellen Frauen aus der Türkei (siehe taz-Bericht vom 14.12.92) durch ein Mitglied von (der) ai-Koordinationsgruppe HH zeigt wenig Sensibilität. Statt sich Gedanken zu machen und sich an ihr zentrales Büro in London zu wenden und über den von (der) Anwältin (...) erwähnten Fall nachzuforschen, „bewies“ Herr Holger Brecht seine „Besserwisserei“. Als wenn er sich um den in Hapt verschwundenen Tugrul Özbek in Istanbul gekümmert hätte. Als wenn er darüberhinaus die Gespräche in London mit der Anwältin selbst geführt hätte.(...)

Es geht darum, daß es zum ersten mal Zeugen bei einem Verschwundenen gab, der nicht einer politischen Organisation angehörte. Er würde nur in Begleitung einer ai-Delegation bei einem Notariat eine Erklärung abgeben, daß er die Politzisten gesehen hat, als sie Tugrul Özbek (...) verhafteten. Er hatte Angst, bei der Polizei eine Aussage zu machen. Auf mehrfache Bitte des Vereins Özgür-Der (Verein für Rechte und Freiheiten) an die ai gab es eine negative Antwort. Die Regierung behauptete immer gegenüber dem Zeugen „Sie sind die Organisationsmitglieder“, aus diesem Grunde wurden sie nie ernst genommen. Dabei sollte man sensibel sein, weil es um das Leben von Verschwundenen geht (...). Herr Holger Brecht braucht nicht vom Thema abzulenken, wie Bonner Politiker, wo es inzwischen zu einer schrecklichen Kunst geworden ist, die Realitäten der Türkei und Kurdistan zu leugnen. Sie können nicht mit ein paar „urgent actions“ von ai erklärt werden. Wenn man internationalistische und humanistische Arbeit macht, sollte man auch kritikfähig sein. Wenn diese Kritik von den Betroffenen selber kommt, müßte man sie ernst nehmen, statt daraus eine opportunistischen Politik zu machen.

Özgür Gün,

Türkei und Solidaritäts-

gruppe HH

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