: „Normalerweise bin ich ziemlich sprachlos“
■ Marion Blohm (DVU) als Schöffin befangen / Vom Prozeß gegen Türken ausgeschlosssen
Marion Blohm ist Fraktionsvorsitzende der DVU, und sie ist bekannt für ihre starken Spüche: „Kriminelle aus allen Kontinenten, Gangster, Gauner und Ganoven aller Hauttypen! Die DVU fordert: Raus mit diesen Typen.“ So wetterte sie im August in der Bürgerschaft. Jetzt ist sie über diese Rede gestolpert. Marion Blohm wurde gestern als Schöffin für befangen erklärt.
In den letzten Tagen hatte es schon einigen Wirbel darum gegeben, daß sie als Schöffin beim Bremerhavener Amtsgericht berufen worden war. Doch schon in ihrem ersten Verfahren, der Berufungsverhandlung eines Türken, wurde sie gleich zu Beginn vom weiteren Verfahren entbunden. Und das nach einem gemeinsamen Antrag von Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Richter Bernd As
„Raus mit diesen Typen!“ F.: Falk Heller
brock: „Das hab ich noch nie erlebt.“
Da nützte auch der geharnischte Protest der DVU-Abge
Frau mit
Fliege
ordneten nichts: Der Richter mußte ihr nur die Rede aus dem August vorhalten, und ein Flugblatt mit der Überschrift „Ausländerterror stoppen. Das genügte, um Zweifel an ihrer Objektivität in einem Verfahren mit Ausländerbeteiligung zu begründen.
„Das ist ja sehr erfreulich“, kommentierte der Grüne Fraktionsgeschäftsführer Rainer Oellerich die Entscheidung. Und viele werden ähnlich gedacht haben. Von den Grünen über die ÖTV, die SPD bis hin zu den Richtern am Amtsgericht: Kaum jemand konnte verstehen, daß die Schöffenliste aus Vorschlägen aller Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung ohne Probleme die Gremien passiert hatte. Die DVU hätte Anspruch auf den Platz, und den hätten sie sich auch juristisch erkämpfen können, meinte der Grüne Manfred Schramm zur Begründung. „Wir haben überhaupt keinen Einfluß auf die Schöffenliste“, sagte der Präsident des Amtsgerichts Uwe Lissau. Er hatte vor allem Bedenken wegen der Resozialisierungsmaßnahmen: „Diese Maßnahmen sind höchst sinnvoll und notwendig. Es geht nicht, daß ein Schöffe sagt, das sei alles rausgeworfenes Geld.“ Marion Blohm hatte in der Bürgerschaft noch „Schluß mit der weichen welle für schwere Jungs“ gefordert; sie versteht das alles nicht:
Marion Blohm: Normalerweise bin ich ziemlich sprachlos, denn ich wußte nicht, daß unsere Justiz erstmal eine Gesinnungsprüfung vornimmt bei jedem Schöffen.
taz: Eine Gesinnungsprüfung?
Es wurde damit begründet, daß ich im Parlament angeblich ausländerfeindlich geäußert hätte. Das ist vollkommener Blödsinn, denn ich bin nicht da als DVU-Vorsitzende als Schöffin berufen, sondern als normaler Bürger aus Bremerhaven.
Ihnen ist ja die August-Rede vorgehalten worden.
Da sind Dinge aus dem Zusammenhang gerissen. es ist bei uns immer nur die Rede von Schwerstkriminellen.
Das kommt in der Rede aber nicht vor.
Das sind Sachen, die man parteipolitisch mit mir abhandeln kann, aber nicht als Schöffin.
Sie sagen, das ist überhaupt nicht ausländerfeindlich?
Selbstverständlich.
Raus mit diesen Typen?
Wenn sie schwerstkriminelle sind schon, aber das hat doch überhaupt nichts mit mir als Schöffin zu tun. Ich bin auch Hausfrau und Mutter, und mein Mann, der sieht mich dewegen auch nicht als Ausländerfeindin an, oder sowas.
Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen