■ Sprangers Vorstoß zur Aidskontrolle bei Asylsuchenden
: Vom Nutzen alter Hüte

Alte Hüte werden nicht dadurch moderner, daß sie bei jeder passenden Gelegenheit aus der Hutschachtel gezaubert werden. Sprangers Vorschlag, alle AsylbewerberInnen einem Aids-Zwangstest zu unterziehen, ist ein solches, schon vielfach, wenn auch ohne Publikumserfolg vorgezeigtes Modell. Erinnert sei nur an den Vorstoß des damaligen Innen-Staatssekretärs und heutigen Umweltministers des Freistaates Bayern, Peter Gauweiler, der schon vor Jahren mit ähnlichem Unsinn die Luft verpestete. Nicht umsonst hat Regierungssprecher Vogel gestern beteuert, daß es sich bei Sprangers Vorstoß um keinen Vorschlag der Bundesregierung handelt. Es hat zwar unverhältnismäßig lang gedauert, aber schließlich hat sich doch allgemein die Auffassung durchgesetzt, daß eine Verhütung der Krankheit in erster Linie die Aufgabe der Gesunden und nicht die der Erkrankten sein kann oder sein darf. Vom CDU-Rechtsaußen Heinrich Lummer einmal abgesehen dürfte der CSU-Politiker auch in der CDU/CSU-Bundstagsfraktion kaum auf Hilfstruppen zählen können.

Dennoch ist es unangebracht, Sprangers Vorstoß mit schweigender Verachtung zu übergehen. Der Zeitpunkt ist das Interessante an seinem Aufwärmungsversuch. Unter Bedingungen, wo der Ausländerhaß in weiten Kreisen der Bevölkerung fast schon zum guten Ton gehört, ein Massenscreening von Zuwanderern zu fordern, bedient so richtig die hysterischen Massenstimmungen. „Der“ Ausländer bedroht jetzt nicht nur unsere deutsche Kultur, er nimmt uns nicht Arbeitsplätze und Frauen weg – nein, er schleppt auch noch das Virus ein, auf daß das deutsche Volk jetzt von der Seuche bedroht werde. Nur so läßt sich die Begründung des Ministers lesen, denn er spricht von einer „explosionsartigen Ausbreitung“ der Immunschwächekrankheit in bestimmten Ländern Afrikas und Asiens, die über Zuwanderung und Asyl dann ein „wachsendes Problem für Deutschland“ darstellen sollen.

Sprangers Argumentation appelliert damit nicht nur allgemein an die dumpfen Vorurteile gegen Menschen anderer Nationen – sie ist offenherzig rassistisch. Behauptet sie doch, daß die Menschen bestimmter Herkunft Träger einer andere Menschen bedrohenden Seuche sind. So als ob der deutsche Mensch kraft seiner überlegenen Konstitution gänzlich unfähig sei, von sich aus zur Verbreitung der todbringenden Krankheit beizutragen. Spranger befestigt damit die Wahnidee, daß es nicht die Einwohner der armen Welt sind, die kurz vor der Katastrophe stehen, sondern wir. „Laßt uns nur die Grenzen dicht machen, die Hände, die sich an unser übervolles Boot klammern, abhacken, so werden wir aller Probleme ledig sein.“ Sprangers Vorschlag, abgegriffen und blöde wie er ist, hat also doch eine politische Funktion. Wolfgang Gast