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Türkei als sicheres Herkunftsland?

■ Asyldebatte verschärft/ Spranger: Aidstest an Grenze

Bonn/Hannover (taz/AP) – Das Bundesinnenministerium soll den Justizminister gebeten haben, zu prüfen, ob die Türkei in die Liste der sogenannten Nichtverfolgerstaaten aufgenommen werden könne. Nach Information der Frankfurter Rundschau soll der Nato-Partner neben Bulgarien, Ghana, Indien, Liberia, Nigeria, Pakistan, Togo und Zaire als „sicheres Herkunftsland“ im Gespräch gewesen sein. Das Bundesinnenministerium wies diese Meldungen zurück.

Gleichwohl reagierten amnesty international und die SPD mit scharfer Kritik. Allein eine Prüfung von Folterstaaten wie der Türkei, Liberia und Zaire als sichere Länder sei „skandalös“, so amnesty. Seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Demirel hätten politische Morde wieder zugenommen. Die SPD-Sprecherin Sonntag warnte die Bundesregierung davor, eine Neuregelung des Asylrechts durch Vorstöße zu belasten, „die mit Geist und Ton der am 6.Dezember getroffenen Vereinbarungen nicht im Einklang stehen“.

Wut zog auch Entwicklungshilfeminister Spranger auf sich, der in einem Bild-Interview verbreitet hatte, es sei ernsthaft zu prüfen, ob bei Asylbewerbern aus Ländern „mit hohem Durchseuchungsgrad regelmäßig ein Aidstest vorgenommen und die Asylverfahren beschleunigt werden sollten“. Pro- Asyl-Sprecher Leuninger nannte Sprangers Vorschlag „rassistisch“. Die SPD warf Spranger vor, dumpfen Vorurteilen Vorschub zu leisten. Und Regierungssprecher Vogel erklärte, Spranger habe seinen Vorschlag nicht im Auftrag der Regierung gemacht.

Nach der Verhandlungsrunde zwischen dem Bundesinnenministerium und den Staatssekretären der Länderinnenministerien zeichnet sich ab, daß der Streit um die gesetzliche Umsetzung des Asylkompromisses noch nicht beendet ist. Der Staatssekretär aus dem Hause Seiters hatte sich am Donnerstag nur undeutlich ausgedrückt. Einerseits versprach er die Neuformulierung des Artikels16 möglichst eng an den Text anzulehnen, den die Verhandlungskommissionen von Union, SPD und FDP am 6.Dezember in Bonn vereinbart hatten. Andererseits meinte er verfassungsrechtliche Probleme zu sehen. Damit sind jene Vorentwürfe aus dem Hause Seiters zur Änderung des Grundgesetzes, des Asylverfahrens- und des Ausländerrechts, gegen die der niedersächsische Ministerpräsident Schröder protestierte, noch nicht vom Tisch.

Der Vorentwurf des Bundesinnenministeriums will über einen neuen Artikel16a den „Prüfungsumfang“ in den Asylverfahren viel weiter einschränken, als es der Asylkompromiß vorsieht. Dieser hatte nur für Flüchtlinge aus sogenannten „verfolgungsfreien Staaten“ eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfung der Asylentscheidungen vorgesehen. Nach dem neuen Artikel16, Absatz4 aus dem ersten Vorentwurf dürfen nun alle „offensichtlich unbegründeten“ Asylanträge sowohl vom Flüchtlings-Bundesamt als auch von den Gerichten nur eingeschränkt geprüft werden. Neu und abweichend vom Asylkompromiß will Seiters außerdem in das Grundgesetz einen Artikel aufnehmen, der die Ratifizierung der Abkommen von Schengen und Dublin ermöglichen würde. EG- Abkommen und völkerrechtlichen Verträgen, die „eine Harmonisierung des Asylrechts“ zum Gegenstand haben, soll der Artikel16 nicht länger entgegenstehen.

Mit der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes will das Innenministerium außerdem über den Asylkompromiß hinaus Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge schlechter stellen. So soll „ein Asylantrag“ als „offensichtlich unbegründet“ gelten, wenn er gestellt wurde, um einer „kriegerischen Auseinandersetzung zu entgehen“. Um in den Genuß des Sonderstatus zu kommen, sollen Bürgerkriegsflüchtlinge nach Seiters Vorstellungen zudem bereits gestellte Asylanträge zurücknehmen müssen. Das Bundesinnenministerium will die Kriegsflüchtlinge also ganz aus dem Asylverfahren heraushalten. Im Bonner Kompromiß fand sich lediglich die Regelung, daß Bürgerkriegsflüchtlinge nach ihrer Aufnahme in den Sonderstatus keinen Asylantrag mehr stellen dürften. Der neue Paragraph32a des Ausländergesetzes, in dem das Bundesinnenministerium den Sonderstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge festschreiben will, ist nur ein Gnadenrecht. Die obersten Landesbehörden können danach im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister Ausländern aus Kriegsgebieten zur vorübergehenden Aufnahme eine Aufenthaltsbefugnis erteilen. Jürgen Voges

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