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Rexrodt erwischt erstbestes Fettnäpfchen

Der Wirtschaftsminister in spe zeigt überschäumendes Selbstbewußtsein/ Plädoyer für den Solidarpakt und Bereitschaft zur Industriepolitik gewinnt die ostdeutschen Liberalen  ■ Von Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) – Der erste Auftritt des designierten Wirtschaftsministers ging gleich in die Hose. Günter Rexrodt war gerade von Fraktion und Bundesvorstand der FDP nominiert, da machte er bereits dem Bundeskanzler Vorschriften. Helmut Kohl habe die Entscheidung der FDP, ihn als Nachfolger für Jürgen Möllemann vorzuschlagen, nur „zur Kenntnis zu nehmen und zu bestätigen“, trumpfte der Kandidat auf. Das letzte Wort habe das Parlament.

Wisse Rexrodt denn nicht, fragten da die Journalisten, daß nach dem Grundgesetz Bundesminister allein vom Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten ernannt würden?

Rexrodt hatte vermutlich die Landesverfassung seiner Heimatstadt Berlin im Hinterkopf, nach der in der Tat die Senatoren vom Parlament gewählt werden.

Den Ruf eines Berliner Großkotz hatte der neue Mann, von 1985 bis 1989 Finanzsenator in West-Berlin, gestern sofort weg.

Mit seinem forschen Auftreten zerstörte Rexrodt zudem eine Inszenierung, auf die die FDP gestern eigentlich großen Wert gelegt hatte. Peinlich war sie darauf bedacht, den Eindruck zu verschleiern, die Partei maße sich mit dieser Personalentscheidung Rechte an, die ihr nach dem Grundgesetz gar nicht zustehen. Was man hier beschließe, sei nur ein „Vorschlag“, wiegelte der Fraktionschef der Liberalen, Hermann Otto Solms, ab. Das letzte Wort habe Bundeskanzler Kohl.

Für die Mehrzahl der liberalen Funktionäre gab es jedoch keinen Zweifel, daß Rexrodt der richtige ist – das galt für den wirtschaftsliberalen Parteichef Otto Graf Lambsdorff wie auch für Vertreter der Linksliberalen. Nach kurzer Vorstellung der drei Kandidaten – je fünf Minuten waren vorgesehen – setzten die Versammelten zwar eine Befragung der drei Männer durch. Diese vom Parteipräsidium nicht vorgesehene Fragerunde war jedoch schon nach einer guten halben Stunde wieder zu Ende.

Ostdeutsche Liberale, die Rexrodt in den letzten Tagen wegen seines Vorstandsposten bei der Treuhand kritisiert hatten, machten gestern in der Bonner FDP- Runde nicht den Mund auf.

Der als rechtsliberal verschrieene Möllemann-Nachfolger bemühte sich freilich auch eigens, ostdeutsche Ängste abzubauen. So wandte er sich vor dem Wahlgremium nicht strikt gegen die von Lambsdorff so verteufelte Industriepolitik, die Betriebe im Osten staatlich stützt. Öffentlich sprach er sich für den vom Parteichef beargwöhnten Solidarpakt aus: „Der Solidarpakt muß kommen, gar keine Frage.“

Rexrodts allzu offen gezeigtes Selbstbewußtsein, das vielen Liberalen aufstieß, konnte ihm nicht ernsthaft schaden. Sein Konkurrent Walter Hirche machte erst recht, wie es hieß, mit einer „zu ichbezogenen Vorstellung“ Minuspunkte.

Überraschend war eher das vergleichsweise gute Abschneiden des nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten Paul Friedhoff. Der Unternehmer war von seinem Landesverband zwar unterstützt, aber nicht ausdrücklich nominiert worden. Der Grund: NRW-Parteichef Jürgen Möllemann wollte den Eindruck vermeiden, hier werde ein „Racheengel“ aufgebaut, der seinen von der Parteispitze erzwungenen Rücktritt sühnen solle.

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