: Bahnarbeiten aus der Luft
■ Mit Hubschraubern werden Masten für Elektrifizierung der Fernbahn ab heute montiert / Anwohner leiden unter Baulärm
Berlin. Die Anwohner an der Fernbahn-Trasse zwischen Zoo und Wannsee klagen seit Monaten über unerträglichen Baulärm. Ab heute wird es morgens aber lauter als je zuvor: Pünktlich ab 8.30 Uhr werden Hubschrauber am S-Bahnhof Savignyplatz alle aus den Federn holen, die zwischen dieser Station und dem S-Bahnhof Grunewald wohnen. Mit Hilfe der Helikopter werden die Masten für die Elektrifizierung montiert. Wenn es das Wetter zuläßt, so die Senatsbauverwaltung, werden die Masten bis Ende der Woche an der Strecke bis zum S-Bahnhof Westkreuz aufgestellt.
Die „Libellen“ holen die Strommasten am Bauplatz auf dem Gelände des Güterbahnhofs Grunewald ab. Die Stahlkonstruktionen hängen an einem 35 Meter langen Seil, die Lufttransporter fliegen in 60 Meter Höhe. Aus der Luft wird der Mast auf sein Fundament gesetzt und verschraubt. Die Verwaltung hat die Flugzeiten auf 8.30 Uhr bis 12 Uhr sowie 14 Uhr bis 16 Uhr festgelegt und eingeräumt, daß das stundenlange Geknattere für die Anwohner nicht angenehm sein wird. Die Alternative – Bauarbeiten in der Nacht – wäre aber ebenfalls mit erheblicher Lärmbelästigung verbunden gewesen.
Doch auch ohne Hubschraubereinsätze sind die Anwohner vom nächtlichen Baulärm mehr als genervt. Manche der betroffenen Häuser wie in der Wilmersdorfer- und der Schlüterstraße sind keine 15 Meter vom Bahndamm entfernt. Lärm zwischen zwei und fünf Uhr morgens führe zur „absoluten Schlaflosigkeit“, berichtet Baustellen-Nachbarin Karen Heidl der taz. Bagger quietschten, Gleise würden transportiert, gestapelt und verlegt, Zugmaschinen hupten und Lokomotiven stünden mit laufendem Motor vor dem Schlafzimmerfenster. Tagsüber sei an keine Erholung zu denken, sagt Heidl, auch am Wochenende und selbst an Feiertagen wie Buß- und Bettag werde auf dem Damm gearbeitet. Mit Beschwerden haben sie und ihre Nachbarn immerhin erreicht, daß nächtliche Bauarbeiten „in lockerer Form“ angekündigt werden.
Wenn es an den Fernbahngleisen so vorangeht wie geplant, dann fährt ab Mai dieses Jahres das Flaggschiff der Deutschen Bundesbahn – der Intercity-Expreßtriebwagen (ICE) – bis zum Bahnhof Zoo. Ruhe für die Anwohner aber bedeutet auch das Ende der Bauarbeiten nicht. Denn bleiben wird weiterhin der Lärm, selbst wenn der Schnellzug seine Höchstgeschwindkeit von 250 Kilometern erst außerhalb des Stadtgebiets erreicht.
Der Senat sieht zur Zeit allerdings keine Möglichkeit, die Reichsbahn zu zwingen, Lärmschutzwände aufzustellen. Auf eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Axel Kammholz (FDP) bestätigte Verkehrssenator Herwig Haase (CDU), daß Anwohner nur dann ein Recht auf Schutzwände haben, wenn eine Bahnstrecke neugebaut wird. In Berlin handele es sich bei der Fernbahn aber um eine Wiederinbetriebnahme. Der Senat unterstützt eine Bundesratsinitiative, mit der die Bundesregierung aufgefordert werden soll, finanzielle Mittel für die „Lärmsanierung“ in Betrieb befindlicher Strecken vorzusehen. Noch habe der Bundesrat nicht entschieden, ob er diesen Antrag annimmt, berichtet Senator Haase.
Die Werte der Lärmbelästigung an Eisenbahnstrecken werde in Berlin ermittelt, führt der Senator weiter aus. Auch würden im Rahmen der Erstellung von Lärmminderungsplänen Empfehlungen ausgesprochen. Die Reichsbahn aber brauche sich nicht daran zu halten. Dirk Wildt
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