: Die Nacht der kleinen Männer
Der VfK Schifferstadt erreicht durch ein 19,5:6,5 über Wiesental erneut das Finale der deutschen Meisterschaft im Ringen ■ Von Günter Rohrbacher-List
Schifferstadt (taz) – Vor Beginn der Ringer-Bundesliga im September letzten Jahres hatten Willi Heckmann und Frank Hartmann, die Trainer des VfK Schifferstadt, gezielt tiefgestapelt. Sie äußerten Angst vor einem möglichen Abrutschen auf den fünften Tabellenplatz, der ihnen die Teilnahme an der (finanziell) interessanten Endrunde verwehrt hätte. Und so paßten die Vorderpfälzer höllisch auf, daß ihnen gegen die Underdogs aus den neuen Bundesländern kein Fauxpas unterlief.
Die Kämpfe gegen den übermächtigen ACGoldbach und die starke RWG Mömbris-Königshofen hakten sie von vornherein ab und landeten schließlich auf dem dritten Platz der Gruppe Nord. In der Südstaffel zog derweil der badische Nachbar KSV Wiesental unbeirrbar seine Bahn, blieb gar ohne Verlustpunkt, hatte dann aber das Pech, die unberechenbaren und berechnenden Schifferstädter zugelost zu bekommen.
Am 12.Dezember war es dann mit den Wiesentaler Siegen vorbei. 6,5:16 unterlagen sie in ihrer Wagbach-Halle gegen die Botschafter des pfälzischen Rettichs, doch Frank Hartmann, ganz Mann der coolen Analyse, warnte erneut vor Euphorie und prompt patzte der VfK beim 12:12-Unentschieden beim KSV Witten. So geriet der letzte Endrundenkampf gegen Wiesental in der Wilfried-Dietrich-Halle zum heißen Finale vor den eigentlichen Finalkämpfen.
Und wieder versuchten die Schifferstädter die hohen Erwartungen zu bremsen, sahen die Wiesentaler aufgrund des Stilartwechsels von griechisch-römisch zu Freistil stark genug, den Kampf offen zu gestalten. „Ein 3:5-Rückstand nach den ersten drei Kämpfen wäre gut für uns“, versuchte Claudio Passarelli, das Leichtgewicht, den Ringer-Fans weiszumachen. Doch nach eben diesen drei Kämpfen kurz nach 20 Uhr war für den KSV Wiesental bereits alles vorbei, hatten die mitgereisten Fans die Fahnen eingerollt, ihre Sprechchöre eingestellt und die Mattenrichter als Sündenböcke ausgemacht.
10,5:0 führten die Schifferstädter. Den Anfang hatte Stefan Gartmann gemacht, der erst tags zuvor seinen deutschen Paß erhalten hatte. Er rang Freddy Scherer nieder und bereitete mit 4:0 Punkten das Feld für den 23 Jahre alten Arawat Sabajew, einen Ex-Russen mit deutscher Großmutter, zweimaliger Europameister, der eine Woche zuvor bereits den Lampertheimer Ex-Weltmeister aus Ossetien, Maharbat Khadarcev, besiegt hatte. Sabajew trug seinen Gegner Uwe Neupert per Schubkarren von Werbebande zu Werbebande und 3.200 Zuschauer in der völlig überfüllten Halle tobten. Kurzen Prozeß machte anschließend Stanislaw Kaczmarek mit Vladimir Togusow, den Europameister bis 52 Kilogramm von 1992: Schultersieg nach zwei Minuten.
Erst Andreas Steinbach ließ die Wiesentaler Fanfaren ertönen, doch der gebürtige Rumäne Radu Strubert verdarb die nun erwartete Aufholjagd. Gegen Markus Scherer führte er bereits klar mit 7:0, doch der quirlige Pfälzer Zwerg mobilisierte alle seine Kräfte und holte Punkt um Punkt auf, bis es 8:7 für ihn stand. Als auch noch Andreas Kubiak aus einem 0:2 gegen Detlef John ein 4:2 machte, war es mit den Wiesentaler Hoffnungen endgültig vorbei. Daran änderten auch die Minimal-Punktsiege von Markos Keller und Udo Rugaber gegen Laszlo Miklosch und Mirko Jahn nichts mehr. 14,5:6,5 vor den letzten beiden Kämpfen, da war auch bei zwei 4:0-Siegen nur noch ein Unentschieden möglich und das hätte den Schifferstädtern bereits zum Finaleinzug gereicht.
So geriet der herbeigeschriebene Entscheidungsfight zwischen Behcet Selimoglu und dem Wiesentaler Georg Schwabenland zum Prestige-Duell, das der Türke gegen seinen resignierenden Widerpart gewann. Frank Hartmann sprach hinterher vom „Wahnsinn, wie Markus Scherer seinen schier aussichtslosen Kampf noch herumgebogen hat“, und sah darin die Ursache für die unheimliche Moral seiner Staffel.
Nun geht es wieder einmal in die Finals gegen den AC Bavaria Goldbach. Dieses Mal zur Abwechslung zuerst am 17.1. in Aschaffenburg. Da rechnet man sich im Rückkampf am 24.1. in Eppelheim noch allerbeste Chancen aus, drei Jahre nach dem letzten großen Triumph gegen die Mainfranken.
Der kleine Willi Heckmann, der mit überschäumendem Temperament wie ein Rumpelstilzchen an der Bande agierte, hielt mit seiner Bewertung nicht hinterm Berg. Vor laufenden Kameras taxierte er die Gewinnquote auf 51:49 für Goldbach, was soviel heißt wie: die können wir packen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen