Rüstet Berliner Hilfe die Kroatenarmee aus?

■ Private Berliner Hilfsaktion für bosnische Flüchtlinge in Kroatien endete in Riesenfrust für die Initiatorinnen: Hilfsgüter wurden womöglich gegen Waffen für kroatische Soldaten eingetauscht

Berlin. Helen Anderson hat einen Riesenfrust. Mit einem sarkastischen Brief an den ihr gut bekannten US-Außenminister Lawrence Eagleburger – der übersetzte Titel: „Eine einfache Lektion darüber, wie man Depressionen kriegt: Vom Versuch, Hilfsgüter nach Kroatien zu bringen“ – versuchte sie, sich diesen vom Leibe zu schreiben. Der Grund für ihren Zorn: Die von ihr mühsam gesammelten Güter für bosnische Flüchtlinge wurden in Kroatien womöglich benutzt, um Waffen für die kroatische Armee zu kaufen.

Die deutsche Ehefrau von David Anderson, Direktor des renommierten US-amerikanischen Aspen Institutes Berlin, wollte Ende letzten Jahres auf ganz privater Ebene etwas für die Kriegsflüchtlinge tun. Zusammen mit Ulla Klingbeil, Gattin des bekannten Immobilienlöwen, und anderen Berliner Freunden sammelte sie mit Unterstützung des Privatsenders 100,6 innerhalb zweier Monate „Tonnen von warmer Kleidung, Tausende von Mark, um Lebensmittel zu kaufen, und sogar 1.500 neue Schlafsäcke von der deutschen Bundeswehr. Der Gesamtwert von Gütern und Geld lag bei über 300.000 DM.“ Firmen stellten gratis sieben Lastwagen mit je zwei Fahrern zur Verfügung, diese brachten Mitte Dezember die Ladung in ein Flüchtlingslager im kroatischen Resnik.

Helen Anderson plagte sich indessen zwecks Zoll und Ladepapieren mit den Behörden und der Unicef herum. Das zentrale Büro der UN-Hilfsorganisation in Genf habe ihnen kaum geholfen, „das deutsche Büro wurde von Genf nicht informiert, und die Leute an der Basis in Zagreb waren gänzlich hilfsunwillig... Nur die Hilfe des SPD-Hauptquartiers in Bonn rettete uns am Ende“, resümierte sie in ihrem Brief an ihren Freund „Larry“ Eagleburger, mit dem sie früher in Belgrad Kontakt hatte. Von 1981 bis 1985 hatte ihr Mann dort als US-Botschafter gearbeitet, und aus dieser Zeit stammt auch ihre Kenntnis der serbokroatischen Sprache.

Helen Anderson flog den Gütern, die nach einer Empfehlung der Unicef nach Resnik gehen sollten, schließlich selbst hinterher. Im dortigen Lager angekommen, mußte sie dann aber feststellen, daß dort keineswegs, wie von der Unicef angegeben, 4.200 Flüchtlinge lebten. Sie sah nur ungefähr 150 Kinder, Frauen und alte Männer. Auch war kein einziger Unicef-Repräsentant anwesend, um die Entladung der Laster zu leiten oder wenigstens zu sagen, was denn zu tun sein. Also griffen die vierzehn Berliner Fahrer und Frau Anderson zur Selbsthilfe und verteilten die mitgebrachten Winterstiefel und die warme Kleidung unter den wartenden Flüchtlingen. Jedenfalls so lange, bis eine Gruppe gutgekleideter kroatischer Männer erschien und ihnen befahl, die Verteilung zu stoppen. „Sie wollten nicht, daß irgend etwas herausgegeben wird: Alles sollte in eine Lagerhalle. Die Atmosphäre wurde häßlich, weil es offensichtlich war, daß sie die Kontrolle über die Güter haben wollten. Es gab viel Geschrei und Gedränge, und einer unserer Fahrer (der einzige Amerikaner in der Gruppe) wurde gestoßen.“ Einer der Kroaten habe ihr sogar gesagt, „daß die von uns gebrachten Güter zu gut für die Flüchtlinge seien und daß diese den Winter sowieso nicht überleben und an TB sterben würden“.

Als Helen Anderson einige der Baracken besichtigte, wurde sie mehrerer kroatischer Militärs gewahr, die sich die Hilfsgüter ansahen. „Ich hörte einen von ihnen sagen, daß sie hierbleiben könnten und später weggebracht würden. Die Lebensmittel – Früchte, Brot etc. – wurden in der Küche gebraucht, aber mehrere Flüchtlinge sagten uns traurig, daß sie diese nie wiedersehen würden. Alles würde am Ende des Tages an die lokalen kroatischen Truppen gehen.“ Überhaupt hätten sie Flüchtlinge im Camp immer wieder darauf hingewiesen, daß die Güter „auf dem offenen Markt durch die kroatischen Behörden verkauft und dazu benutzt würden, um Waffen zu kaufen“. Wenn das wahr sei, schloß Helen Anderson sarkastisch, „dann hätten wir besser gleich direkt der kroatischen Armee das von uns gesammelte Geld gesandt“. Das hätte den Flüchtlingen die Enttäuschung ihrer Hoffnungen erspart und Helen Anderson die bittere Erkenntnis, daß ihre naive private Hilfswilligkeit schlichtweg ausgenutzt wurde. Ute Scheub