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Dumas will Gefangene in Bosnien befreien

■ Frankreichs Außenminister schließt dabei einen Alleingang nicht aus

Der französische Außenminister Dumas hat am Sonntag in einem Rundfunkinterview die Befreiung der Gefangenen aus den Lagern in Bosnien gefordert. Dabei müsse Frankreich „notfalls“ allein und gewaltsam vorgehen, sagte er. Der Kommandant der UNO-Blauhelme, der französische General Morillon, habe ihm gegenüber bestätigt, daß „Konvois, die von Schutztruppen begleitet werden, in diese Lager fahren und sie (die Gefangenen) befreien“ könnten. Der Minister für humanitäre Angelegenheiten, Kouchner, soll nun schleunigst die Vorbereitungen für solche Konvois treffen.

Der Außenminister sagte nicht, mit welchen Mitteln er seinen Plan durchsetzen will. Bei allen anderen militärischen Schritten werde Frankreich keine Alleingänge starten, sondern sich an die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates halten, betonte Dumas und schloß sich damit der Position von Staatspräsident Mitterrand an. Der Außenminister ist der Auffassung, daß die bisher getroffenen UN-Beschlüsse eine ausreichende Rechtsgrundlage bieten und nur noch in die Tat umgesetzt werden müssen. Der Präsident hofft nach wie vor auf eine politische Lösung. Doch der Druck der öffentlichen Meinung und die veränderte Haltung der USA hatten ihn dazu veranlaßt, in seiner Neujahrsansprache erstmals die Bedingungen für eine Militärintervention darzulegen: Frankreich werde nur dann „mehr tun“, wenn es zu einer US-europäischen Militäraktion unter Verantwortung der UNO komme.

Anders als in Somalia will Mitterrand die Initiative diesmal wohl nicht den USA überlassen. Dennoch bleibt er vorsichtig, schließlich sind fast 5.000 französische Blauhelme in Bosnien stationiert, die bei einer Eskalation zu Geiseln werden könnten. Und auch die historische Freundschaft zu Serbien spielt noch eine Rolle: der Präsident vermied es bislang, die Serben als Aggressoren zu bezeichnen.

Im Gegensatz zur Regierungsposition verurteilte Sozialistenchef Fabius den jüngsten Plan zu einer Aufteilung Bosniens; das Beharren auf einer diplomatischen Lösung unter Ausschluß der militärischen Option habe die serbischen Nationalisten zudem ermutigt, sagte er. Die serbischen Führer bezeichnete Fabius als „Dreck“. Auch die Politiker aller anderen Parteien – mit Ausnahme der Front National und der Kommunisten – fordern, die französische Regierung möge endlich über humanitäre Gesten und diplomatische Bemühungen hinausgehen. Selbst die Grünen, die sich vor zwei Jahren gegen den Golfkrieg gestellt hatten, verlangten am Wochenende die Aufstellung „einer bewaffneten europäischen Kraft“, die den bosnischen Luftraum sichern und der dabei das Recht auf Gegenschläge eingeräumt werden soll. Die Politiker fügen sich dabei der Meinung einer großen Anzahl von Französinnen und Franzosen, die laut Umfragen eine Kriegsbeteiligung Frankreichs wünschen – in zehn Wochen sind schließlich Parlamentswahlen.

Der Schriftsteller Bernard- Henry Lévy, der Mitterrand im Sommer 92 zu seinem Überraschungsbesuch in Sarajevo gedrängt haben will, wetterte gegen die „Schlappheit“ der Westeuropäer und fordert „eine gezielte „Bombardierung“ der serbischen Geschützstellungen um Sarajevo. Unter Anspielung auf die Konferenz von 1938 zur Verhinderung des Zweiten Weltkriegs warnte er vor dem „Geist von München“ – „dieser Unfähigkeit, der faschistischen Raserei eine andere Form der Raserei entgegenzustellen“. Auf Einladung Lévys war der bosnische Präsident Izetbegović am Samstag in Paris, wo er auch von Mitterrand empfangen wurde. Bettina Kaps, Paris

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