: Wenn Saddam Hussein Jitzhak Rabin wäre...
■ Die arabische Seite beschäftigt eher Israels Deportation der Palästinenser
„Saddam will Bush auf den Müllhaufen der Geschichte verabschieden“, heißt es in einem Kommentar der halbamtlichen ägyptischen Tageszeitung Al-Ahram im Zusammenhang mit den neusten irakischen Aktivitäten im kuwaitisch-irakischen Grenzgebiet. Die Iraker provozierten die Amerikaner und ihre verbliebenen Golfkriegsalliierten in einer Zeit, in der diese hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt seien. Gerade jetzt, wo die Amtsübernahme anstehe, seien die Amerikaner handlungsunfähig und ließen sich leicht von Saddam vorführen, so die allgemeine Einschätzung. Auch die libanesische Zeitung Al-Hayat erinnert sich in diesem Zusammenhang an US-Präsident Carter, der auf ewig den Makel der iranischen Geiselaffaire mit sich trägt, die die letzten Monate seiner Amtszeit bestimmte.
Während im Westen die Aufregung über die neuesten irakischen Grenzüberschreitungen groß ist, beschäftigt die arabische Seite ein ganz anderes Problem: In Kairo beraten die arabischen Außenminister in einer außerordentlichen Sitzung der Arabischen Liga darüber, wie sie mit den von Israel deportierten 413 Palästinensern umzugehen gedenken. „Verhandeln oder Nichtverhandeln“, lautet die Frage im Hinblick auf die für den 9.Februar anberaumte neue Nahost-Verhandlungsrunde. Da treten die irakischen Grenzüberschreitungen in den Hintergrund.
Allerdings stehen für die arabischen Kommentatoren beide Ereignisse, die israelische Deportation und die irakische Grenzüberschreitung, in einem unmittelbaren Zusammenhang. Warum, fragen sie sich, ist es mal wieder der Irak, der den amerikanischen Zorn auf sich zieht, während über die Deportation nur wenig aus Washington zu hören ist. „Pech für Saddam, daß die Amerikaner ihm nicht zur Seite stehen, wenn er die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates bricht, während Rabin, der sich ebenfalls weigert, die Sicherheitsrats-Resolutionen zu befolgen, ihre Unterstützung genießt“, schreibt der ägyptische Chefkommentator Salama Ahmad Salama in Al-Ahram. Für viele Muslime bleibt es auch weiterhin unverständlich, warum sich in punkto bosnischer Muslime so wenig tut, während jeder Schritt Saddams eine neue Sitzung des Sicherheitsrates nach sich zieht.
Von offizieller irakischer Seite werden die neusten Vorfälle unterdessen heruntergespielt. „Bei den Grenzüberschreitern handle es sich lediglich um Angestellte von Privatfirmen, die irakischen Besitz zurückholen wollen“, erklärte der irakische Außenminister Muhammad Said Sahaf am Montag am Rande der Sitzung der arabischen Außenminister in Kairo. Der Irak handle in vollster Übereinstimmung mit den UN. Dagegen erklärte ein Sprecher der im Grenzgebiet stationierten UNO-Beobachter, daß es dem Irak theoretisch bis zum 15. dieses Monats möglich ist, sein nichtmilitärisches Eigentum aus dem Grenzgebiet abzuholen – allerdings nur mit vorheriger Genehmigung der UNO und der kuwaitischen Behörden.
Die von einer UN-Kommission festgelegte Grenze zwischen dem Irak und Kuwait ist von Bagdad nie akzeptiert worden. „Grenzen können nur durch bilaterale Verhandlungen und nicht durch die UNO festgelegt werden“, erkärte der irakische EG-Botschafter Jayed Haidar vor zwei Tagen in einem Interview mit Radio Monte Carlo.
Auf arabischer Seite wird befürchtet, daß eine weitere Schwächung des Irak ein Vakuum in der Region hinterläßt, das nur durch den Iran ausgefüllt werden kann – nach einem möglichen Wegfall des Irak die einzige regionale Großmacht am Golf. Die letzten Monate haben gezeigt, daß dies auch zu Spannungen zwischen dem Iran und den anderen Golfstaaten führen kann, wie der Streit um die Souveränitätsrechte über mehrere Inseln zwischen dem Iran und den Arabischen Emiraten offenbart hat. Karim El-Gawhary, Kairo
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