: Aller Rhetorik der Bush-Administration zum Trotz hatte das Bombardement im Süden Iraks symbolischen Charakter. Wie ernstgemeint Iraks (zu spätes) Einlenken ist, kann sich schon heute zeigen; sollte es Saddam in einem der Kompromißpunkte erneut zum Konflikt kommen lassen, dürfte Bush den nächsten Angriff anordnen.
Ein Vorgeschmack auf den Ernstfall
Vom Glanz des Golfkrieg-Siegers war George Bush nichts mehr anzumerken, als er am Mittwoch den Kampffliegern „ausgezeichnete Arbeit“ attestierte. Eher lustlos und beiläufig erklärte Bush wenige Stunden nach dem Ende der Bombenangriffe gegen den Irak und wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit, daß die USA Saddam Hussein mit aller Entschlossenheit zur Einhaltung aller UN- Resolutionen zwingen wollen. „Wir meinen es sehr ernst damit.“
Aller martialischen Rhetorik zum Trotz hatte die Aktion der Alliierten nach Einschätzung von Experten nur symbolischen Charakter. Angriffsziele waren mehrere Standorte von Boden-Luft-Raketen sowjetischer Machart in der „No Fly Zone“ südlich des 32. Breitengrads, deren Verlust Saddam Hussein nach Ansicht von Experten verschmerzen kann. Die Bush-Administration begründete den Bombenangriff mit der Stationierung mehrerer Raketenbatterien durch die Irakis in der Flugverbotszone. Letzte Woche hatte Washington zusammen mit den westlichen Golfkriegsalliierten Bagdad ein 48stündiges Ultimatum gesetzt, die Boden-Luft-Raketen abzuziehen. Ende der Woche hieß es noch, der Irak habe sich daran gehalten. Nun zitieren Mitglieder der Administration Aufklärungsberichte, wonach die Raketen lediglich innerhalb der Zone verschoben worden seien.
Ursprünglich war in Washington spekuliert worden, daß ein sehr viel massiverer Angriff geflogen würde, dessen Ziele auch Luftwaffenstützpunkte der Iraker, Radarstationen, Stützpunkte der Republikanischen Garde sowie Standorte eingeschlossen hätten, in denen chemische Waffen vermutet werden. Innerhalb von 30 Minuten war der Einsatz beendet und die 80 beteiligten Flugzeuge — neben US-Air-Force und Navy-Kampffliegern auch britische Tornados und französische Mirage 2000 — wieder an ihre Ausgangspunkte zurückgekehrt: auf den US-Flugzeugträger „Kitty Hawk“ und auf Luftstützpunkte in Saudi-Arabien. Über Tote und Verletzte auf Seiten der Iraker vermochte US-Verteidigungsminister Dick Cheney in einem Interview mit der Fernsehgesellschaft PBS keine Auskunft zu geben. Nach Angaben aus Bagdad kamen bei den Angriffen 19 Menschen ums Leben. Die irakische Armee bot offenbar kaum Gegenwehr.
Der Entschluß zur „Strafaktion“ war am Montag gefallen, die Ausführung ursprünglich für Dienstag angesetzt worden. Wegen schlechten Wetters wurde der Einsatzbefehl jedoch erst am Mittwoch gegeben. Vorausgegangen war eine Warnung des UN-Sicherheitsrats an die Adresse Bagdads. Irak müsse mit „ernsthaften Konsequenzen“ rechnen, sollte es weiterhin auf kuwaitisches Territorium vordringen oder den Einsatz von UN-Flugzeugen durch die Inspektionsteams der UNO verhindern. Unmittelbar nach Beginn der Bombenangriffe ließ Iraks UN- Botschafter Nizar Hamdoun in New York verlauten, Bagdad wolle sowohl den UN-Inspektoren wieder die Benutzung ihrer Flugzeuge gestatten als auch das Einsammeln irakischen Kriegsgeräts auf kuwaitischem Territorium unterlassen.
Wie ernst Bagdads Komromißbereitschaft in diesem Fall zu nehmen ist, kann sich bereits im Verlauf des heutigen Tages zeigen: Am Freitag müssen die Iraker nach Anordnung der UNO sechs Polizeistationen auf jenem Territorium räumen, das eine UNO- Grenzkommission den Kuwaitis zugeschlagen hat. Zudem hat ein Waffeninspektionsteam der UNO, das sich während der letzten Tage auf Bahrain die Beine vertreten mußte, den nächsten Flug Richtung Bagdad mit einer UN-Maschine angemeldet. Sollte es Saddam Hussein an diesem Punkt oder anderen Punkten erneut zum Konflikt kommen lassen, dürfte Bush unmittelbar den nächsten Angriff anordnen — dieses Mal auch gegen Ziele nördlich des 32. Breitengrades.
Amerikas zukünftiger Präsident Bill Clinton reagierte am Mittwoch wie mittlerweile gewohnt in völliger Übereinstimmung mit dem noch amtierenden Präsidenten. In einem Interview mit der New York Times signalisierte Clinton jedoch auch, daß er sich durchaus bessere Beziehungen zu Saddam Hussein vorstellen kann — vorausgesetzt, der halte sich an international geltende Normen. Clinton machte gleichzeitig deutlich, daß er, wenn notwendig, jederzeit zu militärischen Mitteln greifen werde.
Die jüngste Showdown-Runde begann Ende November letzten Jahres, als im Nordirak 20 Bombenanschläge auf Hilfskonvois der UNO für die kurdische Bevölkerung verübt wurden. Am 27.Dezember kam es zum ersten Zwischenfall in der Flugverbotszone im Südirak: US-Kampfflieger schossen ein Flugzeug der irakischen Luftwaffe ab. Am 6.Januar folgte dann das Raketen-Ultimatum. Nach den wiederholten Provokationen der letzten Tage war es schließlich soweit.
Quasi als Präsenzdemonstration wurden am Mittwoch US-Bodentruppen nach Kuwait beordert, um, so Verteidigungsminister Cheney, dort gemeinsam mit der kuwaitischen Armee Manöver durchzuführen. Es gebe keine Order für die rund 1.300 Soldaten, weitere Übertritte der irakischen Armee auf kuwaitisches Territorium zu verhindern. Andrea Böhm, Washington
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