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Kröning: 200 Millionen-Loch im Haushalt

■ Interne Senatsvorlage: Finanzsenator Kröning fordert weitere harte Spar-Beschlüsse in allen Bereichen

Auf Bremen kommen harte Zeiten zu, offensichtlich noch wesentlich härtere, als sich der Ampelsenat hat alpträumen lassen. Am kommenden Dienstag wird der Senat eine Vorlage des Finanzsenators Volker Kröning verhandeln, in der der Senator den Spar-Rasenmäher ansetzt: Eine ganze lange Reihe von Posten soll pauschal um 10 Prozent gekürzt werden, von den Post- und Fernmeldegebühren bis zu den Lernmitteln. Am schlimmsten aber trifft es den Sozialbereich. Gut die Hälfte der Summe soll im Bereich „Zuschüsse an soziale oder ähnliche Einrichtungen erbracht werden. 130 Millionen müssen in den Kassen kleben bleiben, 70 Millionen sollen neu aufgenommen werden. Denn: Schon jetzt ist absehbar, daß im 93er Haushalt ein Loch von 200 Millionen Mark klafft.

Den dickste Schuldenbatzen haben sich die Haushälter selbst zuzuschreiben. Schon lange war absehbar, daß Bremen nicht um die Erhöhung der Sozialhilfe herumkommen würde. Auch in Ampelkreisen hatte man an diesem Punkt von einem Schummelhaushalt gesprochen, hinter vorgehaltener Hand. Nun macht dieses Defizit auch 110 Millionen Mark aus. Darin enthalten sind 22,7 Millionen, die die Sozialsenatorin mehr ausgibt als geplant.

Der Senat hatte sich viel vorgenommen, als er Kürzungen bei den Personalausgaben beschloß. Die Kröning-Bilanz in diesem

Bereich ist frustrierend: 580,5 Stellen sollten 92 eingespart werden, davon wurde 189 Stellen bislang nicht erbracht. Und bei den Einsparungen muß reichlich getrickst worden sein, denn ein Großteil sei ohnehin weder besetzt noch finanziert gewesen. Diese Mehrausgaben werden in den neuen Haushalt gewälzt, aber möglicherweise durch geringe Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst zum Teil aufgefangen. Jeder Prozentpunkt kostet

Bremen 21 Millionen Mark.

Doch der zweite gewichtige Defizitbereich nach den Sozialhilfekosten heißt nicht Personal sondern Mindereinnahmen. Die Rezession läßt grüßen: Die aktuelle Steuerschätzung geht für 93 von 70 Millionen Mark aus, die weniger in die bremischen Kassen fließen. Dagegen machen sich die 15 Millionen Bremer Beteiligung an der Finanzierung der Deutschen Einheit lächerlich aus. Die behält die Bundesregierung von der Summe ein, die sie nach dem Karlsruher Urteil zum Länderfinanzausgleich überweisen muß.

Was Klöckner möglicherweise kostet, daß das Arbeitsressort viel mehr Geld braucht, als veranschlagt, daß der Bildungssenator schonmal einen Mehrbedarf von 13,8 Millionen Mark angemeldet hat, das ist in der Rechnung noch gar nicht drin.

Die 70 Millionen Mindereinnahmen will Kröning über Neuverschuldung auffangen, weitere 75 Millionen Mark will er aus dem 150-Millionen-Topf nehmen, die für Ausgaben über die Haushalte hinaus bereitgehalten werden.

18 Haushaltstitel sollen zudem pauschal um 10 Prozent gekürzt werden. Unterhaltungskosten für öffentliche Gebäude, wissenschaftliche Bibliotheken, Aus- und Fortbildung, Dienstreisen — eine lange Liste von Ausgaben muß um ein zehntel zusammengestrichen werden. 24 Millionen Mark sollen aus diesen kleineren Ausgabentiteln gequetscht werden. Noch einmal 25 Millionen sollen bei den Zuschüssen für Sozialeinrichtungen gespart werden. Von den Dienstleistungszentren über Frauenhäuser bis zu Drogenhilfeprojekten dürfte es einige kleinere so hart treffen, daß sie diese Sparrunde nicht überleben.

Weder in den Ressorts, noch in den Ampelfraktionen scheint das Papier bislang diskutiert worden zu sein. Reinhard Barsuhn, SPD-Fraktionsvorstand und Finanzdeputierter, kennt die Vorlage nicht, aber er teilt die Grundzüge: Die Sozialkosten seien explodiert, und deshalb kämen die HaushälterInnen nicht um erhebliche Kürzungen bei den konsumptiven Ausgaben herum. „Das gibt Heulen und Zähneklappern in weiten Bereichen.“

Der Fraktionsvorstand der Grünen ist „erstmal entsetzt“, so Karoline Linnert. Und ihr Kollege Dieter Mützelburg: „Das ganze ist eine Scheiß-Idee nach dem Motto: Von oben deckeln, damit von unten nicht getreten wird.“ Jochen Grabler

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