Unterlegen, aber nicht gescheitert

■ Wissenschaftssenator Erhardt über Zulassungsbeschränkungen/ Rücktrittsforderungen ehren ihn

Zum Wintersemester 1992/93 hatte Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) in bestimmten Fächern Zulassungsbeschränkungen verhängt. Das Verwaltungsgericht hat diese als „offensichtlich rechtswidrig“ bewertet und gestand den Studierwilligen zu, sich erneut zu bewerben.

taz: Herr Senator, das Gericht hat moniert, daß die Zulassungszahlen von Ihnen nicht etwa falsch, sondern überhaupt nicht berechnet worden sind. Ist das nicht eine unfaire Art, das Recht auf Bildung zu beschneiden?

Manfred Erhardt: Ihre Frage ist eine konservative Frage. Sie beruht auf Sachverhalten der Vergangenheit. Wir haben jetzt im zweiten Jahr einen Rückgang bei den Studienanfängerzahlen, wenn die Prognosen stimmen, geht dies so weiter. Es geht also nicht darum, daß jemandem das Recht auf Hochschulbildung vorenthalten würde, sondern darum, wo und in welchem Fach jemand studiert. Wir haben geglaubt, daß wir Strukturentscheidungen im Einvernehmen mit den Universitäten fällen können. Wir müssen künftig in der Tat in jedem Fall zunächst einmal die tatsächlich vorhandenen Lehrkapazitäten berücksichtigen.

Wie beurteilen Sie ihre Politik nach der jüngsten Schlappe, wenn jetzt auch noch ein Normenkontrollverfahren ansteht?

Das ist ja keine Schlappe. Daß wir rechtliche Fesseln haben, ist ganz klar. Wir müssen sehen, wie wir den Staatsvertrag, das Hochschulzulassungsgesetz und die Kapazitätsverordnung ändern können. Wenn das Gericht uns auf diesem Weg nicht folgt, heißt das: Wir können die Studenten immer nur nach Maßgabe der Personalkapazität zulassen. Haben wir sie zugelassen, dann können wir die Zahl der Lehrenden nicht reduzieren, weil die Studenten einen Anspruch auf ihre Ausbildung haben. Wenn wir das zu Ende denken, kommen wir nie zu einer Veränderung. Im übrigen schreckt mich dieses Normenkontrollverfahren nicht, die Studenten, die dies anstrengen...

... es klagt aber die TU. Die Studentenschaft kann gar nicht klagen.

Die TU selber wird in Sachen Architektur nicht klagen, wir befinden uns ja mit der TU-Leitung und dem Fachbereich in Übereinstimmung. Die Hochschulleitung hat uns in einem Schreiben darum gebeten, daß wir die Zulassungszahl bei der Architektur auf 240 reduzieren, weil dies der Entwicklungsplanung der TU selber entspricht.

Also der Zahl, die das Gericht jetzt verworfen hat. Egal wie die Zahl zustande kam, mit dem Urteil ist Ihre Politik der Reduzierung von Studienplätzen gescheitert.

Überhaupt nicht. In Berlin wird man sich in allen Bereichen darauf einstellen müssen, daß wir nicht genügend Geld haben, um all das zu finanzieren, was wir gern wollten.

Herr Erhardt, respektieren Sie das Recht auf Bildung, und wie wollen Sie es gewährleisten?

Natürlich respektiere ich das, und zwar im Interesse der Studenten, die Bildung wollen. Bildung setzt auch eine bestimmte Qualität voraus. Bildung bedeutet nicht, daß ich wie in einen Schafstall alle hineintreibe und dann sage, jetzt habe ich das Recht auf Bildung verwirklicht. Bildung ist nicht an einem formalen Status ablesbar, sie bewährt sich durch den Inhalt. In Berlin wollen wir sicherstellen, daß jeder Student hier weiß, daß er eine Bildung erhält, die internationalen Maßstäben gerecht wird.

Sie sind als Wissenschaftssenator nun zum wiederholten Male vor Gericht unterlegen. Das riecht, so finde ich, ein bißchen nach kalkuliertem Gesetzesverstoß.

Das ist kein kalkulierter Gesetzesverstoß. Wenn die gesetzlichen Grundlagen unser hochschulpolitisches Wollen nicht hergeben, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder müssen wir die gesetzlichen Grundlagen ändern oder eine Korrektur in der Hochschulpolitik vornehmen. Ich möchte aber ausdrücklich sagen: Ich lasse mir nicht durch die Gerichte eine qualitätvolle Hochschulpolitik kaputtmachen. Ich bin hier nicht als Hochschulbürokrat angetreten, und insofern muß ich politische Zielsetzungen haben. Diese sind in der Wissenschaftspolitik Berlins an Qualität, an Leistung und Exzellenz ausgerichtet und nicht an Quantität, an Mittelmaß und Ideologie.

Der Asta der TU hat Sie zum Rücktritt aufgefordert.

Das ehrt mich. Interview: cif