: Nichts zu bereuen
■ Seit einem Jahr gibt es das musikalische Privattheater KAMA
Die Ecke Friesenstraße/Schwiebusser Straße ist den Kreuzbergern vor allem durch die Polizeidienststelle 104 bekannt. Am Tage wälzen sich hier die Blechlawinen über das alte Kopfsteinplaster, um bei der Kfz-Stelle für den öffentlichen Verkehr zugelassen zu werden, im zweiten Stock des alten roten Backsteinhauses kann man Diebstähle oder seinen Zuzug melden. Abends ist diese Ecke Kreuzbergs jenseits der Bergmannstraße eher verwaist.
Um so strahlender sticht das hell geweißte KAMA-Theater mit den großen blauen Lettern „erstes berliner musikalisches privattheater“ von seiner alt-gründerzeitlichen Umgebung ab. Hier, wo vor einem Jahr das „Junge Theater“ seine Pforten schloß, agieren nun in der zweiten Spielzeit Katja Nottke und Claudio Maniscalo mit ihrem Musiktheater KAMA. „Ka“ für Katja, „Ma“ für Maniscalo, wie mir Pressesprecher Andre Kraft verrät.
Vom ersten Tag an waren die beiden Vollprofis mit ihrem jungen Team erfolgreich, nach dem Debüt-Stück „Die Schöne und das Biest“ von Jean Cocteau eroberten sie sich im letzten Jahr vor allem mit ihrer Piaf-Revue „Ich bereue nichts“ ein großes Stammpublikum, das nicht einmal die Preiserhöhung zu Beginn dieses Jahres abschrecken konnte.
Wie alle nichtsubventionierten Off-Theater leidet auch das KAMA an chronischem Geldmangel, da hilft auch die Platzauslastung von stolzen 97 Prozent nicht. „Eigentlich war es unser Ehrgeiz, ohne Subventionen auszukommen“, erklärt Claudio Maniscalo, aber mit 99 Plätzen läßt sich einfach nicht rentabel Theater machen. Wollte man alle Kosten an der Abendkasse decken, müßte ein Platz im KAMA ganze 120 DM kosten. Da der Kultursenat den Antrag auf Optionsförderung abgelehnt hat, sind Katja Nottke und Claudio Maniscalo auch weiterhin auf Sponsorengelder, gutmütige Ensemblemitglieder, die sich mit einer Abendgage von 75 DM zufriedengeben, und auf ihre Nebeneinkünfte durch Synchronsprechen und kleinere Filmrollen angewiesen. Vor allem die viel zu niedrigen Gagen machen an der Schwiebusser Straße hin und wieder Sorgen, „da kriegt man ja in jedem kleinen Off-Theater mehr!“ stöhnt Andre Kraft. Allein das rege Medieninteresse, das die SchauspielerInnen im KAMA zu ihren Gunsten nutzen können, stimmt die 25 MitarbeiterInnen gnädig. „Hier kann man sich immerhin entdecken lassen.“ Anna Bolk, die in der Revue die junge Piaf spielte, wurde prompt von einem größeren Theater „wegengagiert“. Nun fehlt sie dem KAMA.
1993 könnte das KAMA-Team durchaus an den Erfolg des letzten Jahres anknüpfen: Wie die Piaf- Revue wirbt auch das neueste Stück mit der kongenialen musikalischen Interpretation altbekannter Evergreens, und auch die zweite für Februar geplante Inszenierung „Victoria! Victor“ nach der alten Comedy-Vorlage wird sicher ein Publikumsrenner.
Wie schon bei der Piaf-Revue ist auch bei „Victoria! Victor“ wieder Katjas Vater Joachim Nottke für das Stück verantwortlich, wie bei dem Erfolgsstück des vergangenen Jahres wird auch diesmal Katja Nottke die weibliche Hauptrolle und die Regie übernehmen, und auch Claudio Maniscalo steht dann wieder auf der Bühne des Hauses.
Ob das in Zukunft noch das schmale Podest in der Schwiebusser Straße sein wird, ist allerdings zweifelhaft. Spätestens im nächsten Jahr muß das KAMA in ein größeres Theater umziehen, „mindestens 300 Plätze brauchen wir, damit das Haus sich endlich trägt“, erklärt Andre Kraft. Es gibt schon konkrete Umzugspläne, aber über welchen Standort derzeit verhandelt wird, bleibt Geheimsache, genauso geheim wie der Inhalt der Uraufführung im April. „No Sex“ wird es heißen, Peter Lund wird das Stück schreiben. Raten Sie mal, wer wohl spielen wird! kl
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