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Schmerz und Gelächter

■ Peter Fitz spielte 'Beton– von Thomas Bernhard im Malersaal

von Thomas Bernhard im Malersaal

„Wenn man meine Arbeiten auf- macht, ist es so: Man soll sich vorstellen, man ist im Theater, man macht mit der ersten Seite einen Vorhang auf.“ Ob Prosa oder Stück — der 1989 verstorbene Thomas Bernhard sah seine Literatur, wie auch das Leben an sich immer als Theater an: „Solange wir existieren/spielen wir Theater.“

Hermann Beil, Dramaturg am Burgtheater Wien und von Bernhard in einem Dramolett verewigt, hat sich als Konsequenz dieser Haltung den Prosatext Beton vorgenommen und als „szenische Lesung“ für den Schauspieler Peter Fitz eingerichtet. Von oben beleuchtet, starr, mit zu Fäusten geballten Händen, steht Fitz in der Mitte des fast leeren Raumes. Nur ein Schreibtisch, zwei Koffer, sowie eine Sammlung Bücher und Schriften dienen als Requisite. Fitz schlüpft für knapp drei Stunden in die Rolle des kranken Ich-Erzählers Rudolf, der seit einem Jahrzehnt mit dem Beginn seiner Arbeit über Mendelssohn Bartholdy kämpft. Je mehr sich Rudolf bemüht, desto stärker verstrickt er sich selbst in Erinnerungen und quälende Lebensgedanken. Über Musik zu schreiben wird ihm unmöglich, er muß über das Leben schreiben.

Fitz artikuliert Bernhards endlos lange Satzgefüge und -reihen überdeutlich, begleitet sie mit virtuoser Mimik. Zur Freude des Publikums kostet er so die grotesk-komischen Seiten des Textes vollends aus, ebenso gelingt es ihm jedoch, die Abgründe dieser kranken, so menschlichen Existenz auszuloten. Für Bernhard waren Komödie und Tragödie stets unlöslich miteinander verbunden. Fitz überträgt diese Doppelwertigkeit fesselnd in seiner Darstellung. Den Schreibtisch verläßt er immer wieder, lange Passagen spricht er frei, auf dem Koffer sitzend, oder am Schreibtisch stehend in der Rolle der lebenslang beherrschenden Schwester.

Am Ende nimmt Fitz die Ausgangsposition wieder ein, verläßt Rudolf. Ein letztes Mal spielt die Musik Mendelssohn Bartholdy – und wird bald von Applaus und Bravos abgelöst.

Nils Grevsen

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