„Schwer für Herrn Krause“

■ Albrecht Müller ist Verkehrsexperte der SPD-Bundestagsfraktion in Bonn

Für heute hat Verkehrsminister Krause SPD-Vertreter zu sich geladen. Auf der Tagesordnung steht die geplante Bahnreform. Da das Grundgesetz dafür geändert werden muß, ist die Zustimmung der Sozialdemokraten notwendig.

taz: Halten Sie die Bahnreform grundsätzlich für sinnvoll?

Müller: Ich halte es für einen Wunderglauben, durch Privatisierung und Zerschlagung das Problem lösen zu wollen. Die Hauptursache für die Misere der Bahn liegt darin, daß sie einen Großteil ihrer Kosten tragen muß – und der LKW-Verkehr muß seine Kosten zum Großteil nicht tragen. Der ausländische LKW-Verkehr, der hier durchkommt, trägt nur rund acht Prozent seiner Wegekosten. Man tut ja heute so, als müsse man die Bahn nur privatisieren und dann funktioniert es. Daß dieser Ansatzpunkt nicht viel weiter führt, sieht man ja gerade überall im Osten. Und man unterschätzt die Leistungsbereitschaft der Bahnmitarbeiter stark.

Ist die Bahnreform überflüssig?

Nein, wir sperren uns nicht gegen die Verwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft. Wir hoffen aber, zugleich andere Ziele zu erreichen. Das bisherige Konzept halte ich für eine Katastrophe.

Die Regierung braucht die SPD für die Grundgesetzänderung. Welche Bedingungen sind für ihre Partei unabdingbar?

Die Fraktion hat uns einen Sechs-Punkte-Verhandlungsauftrag gegeben. Erstens: Verteuerung des LKW-Verkehrs und Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung, zweitens: rechtliche Gleichstellung von Schiene und Straße – auch der Schienenbedarf muß vom Bundestag verabschiedet werden. Drittens: Wir betrachten die Bereitstellung einer leistungsfähigen Schieneninfrastruktur als Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge. Das muß im Grundgesetz festgeschrieben werden. Viertens: Mit der Übertragung von Bundesaufgaben an die Länder müssen auch zweckgebundene Gelder verbunden sein. Fünftens: Entschuldung der Bahn. Sechstens: Wahrung der Mitarbeiterrechte. Wir können sehr viel fordern, weil die Koalition uns zur Grundgesetzänderung braucht. Es wird sehr schwer für Herrn Krause. Er muß in Brüssel endlich erreichen, daß es eine Schwerverkehrsabgabe gibt. Und er muß bereit sein, die Mineralölsteuer anzuheben.

Auf welche Höhe?

Wir von der AG Verkehrsvermeidung haben 2 Mark mehr pro Liter vorgeschlagen. Der Großteil dieser 180 Milliarden Mark soll wieder an die Bürger zurückfließen – unabhängig davon, ob sie Autofahrer sind oder nicht. Aber für die Verkehrsverteurung muß es eine europäische Lösung geben.

Ohne die Erfüllung der Bedingungen stimmt die SPD nicht zu?

Das kann ich ohne Absprache mit meiner Arbeitsgruppe nicht sagen. Aber die Verteuerung ist die Hauptforderung unseres Konzepts. Es wäre allerdings unseriös, wenn ich sagen würde: Ohne das geht es nicht.

Die Verkehrspolitik, die in SPD-Ländern gemacht wird, unterscheidet sich kaum von der der CDU, das heißt mehr Straßen.

Damit haben Sie zum Teil recht. Das ist hier mein Tagesleid, daß manche Forderungen der Länder – zum Beispiel Bundesverkehrswegeplan oder Beschleunigungsgesetze – so sind, daß ich nicht gerne in den Spiegel gucke. Interview: Annette Jensen