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Lieber nicht mehr „Lieber Hugo“

Der saarländische SPD-Fraktionsvorsitzende Klimmt weist den Vorwurf, er habe einen Gangster begünstigt, als „völlig absurd“, räumt aber gewisse Formfehler ein  ■ Aus Saarbrücken Frank Thewes

Knapp ein halbes Jahr nach dem Ruhegeldskandal um Oskar Lafontaine hat das Saarland eine neue Affäre: Der Ministerpräsident und der SPD-Fraktionschef Reinhard Klimmt sollen regelmäßige Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhalten. Während Lafontaine seine Sprecher schlicht mitteilen läßt, zu Klatschgeschichten nehme er keine Stellung, ging Klimmt gestern vor die Presse.

Fazit: Die im Spiegel veröffentlichten Briefe sind echt, die Schlußfolgerung, er aber habe Kriminelle begünstigt, aber „völlig absurd“. Allerdings räumte Klimmt ein, sich in der Form vergriffen zu haben. Heute würde er, so der SPD-Politiker, keinen Brief an einen Unterwelt-König mehr mit „lieber Hugo“ abzeichnen. Er kenne Saarbrückens bekanntesten Gangster Hugo Lacour eben aus einer gemeinsamen Stammkneipe und „dort ist das Du eben üblich“. Diese Gaststätte sei im übrigen so seriös, daß dort auch Bundesumweltminister Töpfer verkehre.

Hugo Lacour verbüßt zur Zeit in der Strafvollzugsanstalt im französischen Metz im Freigängerstatus noch bis Ostern eine mehrjährige Haftstrafe wegen Bankraubs. In Deutschland wartet auf Lacour ein Mordverfahren: Er soll einen Kontrahenten im Rotlichtmilieu getötet haben. Dessen Leiche wurde jedoch nie gefunden. Lacour beteuert seine Unschuld. Die französische Justiz hält die Vorwürfe ebenfalls für nicht zutreffend und will Lacour, der französischer Staatsbürger ist, auch nicht nach Deutschland ausliefern. Der aber will unbedingt zurück nach Saarbrücken. Und weil ihn eben der deutsche Haftbefehl störte, wandte er sich an Reinhard Klimmt: „Herr Lacour hat mich regelrecht mit Briefen und Gnadengesuchen bombardiert.“ Dreimal hat Klimmt nach eigener Darstellung geantwortet. Dabei schreibt er dem „lieben Hugo“, daß in Deutschland weiter gegen ihn ermittelt werde. Der Justizminister halte ihn aber „auf dem laufenden“ und werde ihn informieren, falls sich die Sachlage ändert“. Im Sommer 1990 habe Klimmt den Kontakt zu Lacour abgebrochen und alle eingehenden Briefe an den Justizminister weitergeleitet. Minister Arno Walter habe dann im August 1990 alle Gnadengesuche von Lacour als unbegründet abgelehnt.

Die CDU-Opposition fordert Aufklärung. Besonders erzürnt sind die Christdemokraten darüber, daß Ministerpräsident Lafontaine über seinen Teil der Affäre keine Erklärung abgeben will. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Müller: „Die Karten müssen auf den Tisch.“ Den Bonner Forderungen nach Rücktritten wollte er sich aber nicht anschließen: „Rücktrittsforderungen sind völlig überflüssig, denn der politische Anstand der SPD hier ist gleich null.“ Allerdings hat auch der CDU-Abgeordnete Gerd Meyer Kontakte zu Hugo Lacour unterhalten und für diesen einmal eine Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken versucht.

Die Vorwürfe der Opposition gehen denn auch eher in Richtung Ministerpräsident, einen ehemaligen Schläger als Bodyguard eingestellt und ihm einen Waffenschein verschafft zu haben. Dem „netten Kollegen Klimmt“ traut offenbar selbst die Opposition keine bewußte, bösartige Mauschelei zu. FDP-Fraktionschefin Brunhilde Müller: „Kollege Klimmt ist für mich persönlich ein sehr seriöser Kollege.“ Der SPD-Mann glaubt, mit seiner offenen Art die Vorwürfe überstehen zu können. Lafontaine dagegen hat seine Drohung nach der Ruhegeldaffäre wahrgemacht: „Wenn noch einmal so was hochkommt, dann sage ich selbst dazu gar nichts mehr.“

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