piwik no script img

Der Medienstratege

■ Wie Eisenhower das Weiße Haus eroberte

Auf den Tag genau vierzig Jahre vor Bill Clinton marschierte General Dwight D. Eisenhower ins Weiße Haus ein. Zur Feier des Tages wurde eine dreitägige, vom Fernsehen landesweit übertragene Party ausgerichtet. Eisenhowers Amtsantritt markiert einen Wendepunkt in der Mediengeschichte, den endgültigen Übergang vom Radio- ins TV-Zeitalter. Erstmals war das Fernsehen in eine Wahlkampagne einbezogen worden und wohl auch wahlentscheidend gewesen. Diese Entwicklung brachte es mit sich, daß mehr denn je Show-Effekte Einzug hielten in die politische Debatte.

Der Militärstratege Eisenhower überließ die Wahl des Schlachtfeldes diesmal anderen Taktikern. Das Wahlkampfkonzept der Werbeagentur Batten, Barton, Durstine & Osborne war gänzlich auf den Nimbus des gefeierten Kriegshelden zugeschnitten und nutzte die intellektuellen Qualitäten des Gegenkandidaten zu dessen Nachteil. Adlai E. Stevenson, der Gouverneur von Illinois, war ein wendiger Redner, der bis zum letzten Moment an seinen Texten feilte. Bei öffentlichen Auftritten und Radioansprachen hätte er den etwas steif und zögerlich formulierenden „Ike“ ausgestochen. So aber stand er vor den Fernsehkameras, las vom Blatt ab, weil keine Zeit mehr gewesen war, den Text auf dem Teleprompter zu übertragen und hatte Schwierigkeiten mit dem Timing.

Eisenhower dagegen wurde mit dramaturgischer Finesse in Szene gesetzt. Man filmte ihn vor Publikum, durch das er – ganz Mann des Volkes – hindurchschritt, ehe er die Rednertribüne betrat. Der Schnitt auf eine milde lächelnde Mrs. Eisenhower war fester Bestandteil der Show. Seine Ansprachen folgten dem ersten Gebot der Unterhaltungsbranche: Du sollst nicht langweilen. Keinesfalls länger als zwanzig Sekunden dauerten auch die fünfzig Spots der „Eisenhower answers the nation!“-Staffel, mit denen das TV-Publikum in den letzten zwei Wochen vor der Wahl gleichsam bombardiert wurde.

Auch hier blieb nichts dem Zufall überlassen. Was aussah wie ein Dialog des Kandidaten mit seinen Wählern, war eine Montage. Frage und Antwort stammten von einem Werbetexter. Ike und seine Gesprächspartner wurden separat in verschiedenen Studios aufgenommen.

Der künftige Präsident las seine Sätze von einer großen Tafel ab. Das TV-Publikum mußte den Eindruck haben, Eisenhower antworte seinem Gegenüber spontan. Sein Kontrahent Stevenson lehnte diese Methoden ab. Die Quittung bekam er am Wahltag. Eisenhower siegte mit großer Mehrheit und bezog am 20.Januar 1953 das Weiße Haus. Harald Keller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen