: Haase gegen weniger Autos in der Schloßstraße
■ Rückbau der Steglitzer Einkaufsmeile „politisch nicht erwünscht“/ Wirtschafts- und Umweltsenator, Geschäftsleute sowie BVG für ein bezirkliches Konzept
Steglitz. Während der Streit um die Breite der Leipziger Straße noch nicht ausgestanden ist, bahnt sich eine Auseinandersetzung über die künftige Dimensionierung einer weiteren Hauptgeschäftsstraße an – der Steglitzer Schloßstraße. Wiederum ist es offenbar Verkehrssenator Haase (CDU), der hier wie dort gegen das Votum anderer Senatsverwaltungen und des betroffenen Bezirks die Reduzierung der Autoverkehrsflächen nicht zulassen will.
Laut dem Bezirk lehnt Haase ein im letzten Frühjahr ausgearbeitetes Entwicklungskonzept ab, das in der Schloßstraße breitere Bürgersteige, zusätzliche Baumreihen, in die Fahrbahn vorgezogene Haltestellenbuchten („Bus-Kaps“) sowie beidseitige Radwege anstelle der Parkstreifen vorsieht. Bereits im September letzten Jahres habe ihm Verkehrsstaatssekretär Schmitt (CDU) mündlich mitteilen lassen, man müsse sich „endlich mal dran gewöhnen, daß der Rückbau von Straßen politisch nicht erwünscht ist“, weswegen die Umgestaltung der Schloßstraße für die Verkehrsverwaltung „erledigt“ sei, sagte der Steglitzer Stadtrat für Wirtschaft, Gesundheit und Umweltschutz, Udo Bensel (AL). Einen anderslautenden Zwischenbescheid an das bezirkliche Umweltamt, nach dem die interne Prüfung der Bezirkspläne noch nicht abgeschlossen sei, wertete Bensel als Hinhaltetaktik. Unterdes äußerte sich Haase-Sprecher Tomas Spahn gegenüber der taz gar nicht erst zum Thema Schloßstraße. Mehrfache Nachfragen zur Position der Verwaltung ließ Spahn unbeantwortet.
Mit Hilfe des dreistufigen Entwicklungskonzepts einer Arbeitsgemeinschaft von Berliner sowie Aachener Stadt- und Verkehrsplanern soll die Schloßstraße vom Durchgangsverkehr mit der entsprechenden Lärm- und Abgasbelastung befreit werden. Die Planer möchten mehr Platz zum Bummeln und Flanieren schaffen. Sie ermittelten, daß die Fußgänger den größten Anteil der Schloßstraßenbenutzer ausmachen und 30 bis 40 Prozent der Autofahrer die Einkaufsmeile nur als Durchfahrtsstrecke gebrauchen. In der ersten Konzeptstufe würde durch eine geringfügige Verschmälerung von Mittelstreifen und Fahrbahnen ein Meter zusätzlicher Gehwegraum gewonnen. Beim zweiten Neugestaltungsschritt soll dann der vorhandene Parkstreifen zum Radweg werden, für den Kfz-Verkehr bleibt eine Fahrspur. In der letzten Konzeptstufe kämen die vorgezogenen Haltestellen-Kaps dazu. Wenn die Autos dann hinter den Bussen warten müßten, wäre die Schloßstraße für den Durchgangsverkehr nicht mehr attraktiv, so hofft das Bezirksamt mit den Gutachtern. Im Rahmen des Konzepts ist ebenfalls die radikale Verringerung der Fahrbahnflächen des Walther-Schreiber-Platzes am nördlichen und des Birkbuschplatzes am südlichen Eingang der Schloßstraße auf zwei mal zwei Spuren vorgesehen. Nebeneffekt: Durch den Rückbau der autobahnähnlichen Aufweitung am Birkbuschplatz könnte es nach Einschätzung der Konzeptgutachter gelingen, rund 7.000 Quadratmeter wertvollstes innerstädtisches Bauland zu gewinnen. Die Erlöse aus einem möglichen Grundstücksverkauf deckten dicke die Umbaukosten der Schloßstraße von sieben bis zehn Millionen Mark, so Stadtrat Bensel. Bensel zufolge gab es nach der Konzeptvorstellung schon die ersten Anfragen von Investoren. Wegen der infolge des Straßenrückbaus entstehenden Büroflächen sei auch Wirtschaftssenator Meisner (SPD) für das Konzept.
Aufgrund der absehbaren Reduzierung der Lärm- und Schadstoffbelastung unterstützt vor allem die Umweltverwaltung Senator Hassemers (CDU) den gewünschten Umbau der Schloßstraße.
Die Verwaltung maß den Lärm an vier Stellen und kam auf Werte von mehr als 70 Dezibel, womit die Belastung für die Passanten die Grenze der Verträglichkeit erreicht hat. Die Luft an der Schloßstraße enthält zuviel Dieselpartikel und zuviel Kohlenmonoxid; bei Stickoxiden wird der Schweizer Grenzwert um 55 Prozent überschritten. Auch unter städtebaulichen Gesichtspunkten sei man „seit Jahren“ für eine Aufwertung der Schloßstraße, erklärte Olaf Timmermann aus der Umweltverwaltung. Timmermann: „Wir wollen eine Aufwertung des Fahrradverkehrs und mehr Flair für die Straße. Alles schreit förmlich nach breiten Gehwegen – dann könnte man wenigstens Tischchen und Stühle rausstellen.“
Last but not least unterstützen die ortsansässigen Geschäftsleute und die BVG die Vorstellungen für eine „neue“ Schloßstraße. Die Arbeitsgemeinschaft Steglitzer Kaufleute betrachtet die Gutachtervorschläge als „Rohling“ mit positiver Grundlage. Wie Stadtrat Bensel erläuterte, fordert die BVG sogar, die Schloßstraße ganz für den privaten Kfz-Durchgangsverkehr zu sperren. Der Verkehrsbetrieb sehe in der Schloßstraße ideale Bedingungen zur Deduktion des Autoverkehrs, denn diese Einkaufsstraße sei wie keine zweite in Berlin ideal mit Buslinien, U- und S-Bahn erschlossen. Hinzu komme, daß der Durchgangsverkehr ohne Schwierigkeiten über die parallel führende Stadtautobahn abgeleitet werden kann. Thomas Knauf
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