: Willkommenes Ärgernis
■ Monika Maron stellt sich in Humboldt-Universität der Diskussion
Mitte. Mit ihren früheren Mitbürgern in der DDR ist keine Schriftstellerin härter ins Gericht gegangen als Monika Maron. Deren Verhalten ekele sie an, schrieb die schon 1988 in die Bundesrepublik übergesiedelte Autorin vor einem halben Jahr in einem Spiegel- Essay und warf den Neufünfländern vor, sie klammerten sich nach der Wende in lautstarker Wehleidigkeit an eine Opferrolle, die sie in den Jahrzehnten zuvor unter anderen Bedingungen so klaglos eingeübt hatten. Am Dienstag war die Autorin in der Reihe „Wahrnehmungen. Zum deutschen Befinden in Ost und West“ in der Humboldt- Universität zu Gast – in jenem Haus also, in dem sich viele in der Rolle der Wende-Opfer gefielen und mit dieser Selbstinszenierung breiten Beifall fanden.
Die Einladung auf das ihr früher verbotene Podium hätte die Autorin im Herbst fast abgelehnt: So aggressiv war die Reaktion auf die Veröffentlichung des Essays, der ihr sogar Morddrohungen eintrug. Und so hielt sie keinen Vortrag über deutsch-deutsche Befindlichkeiten, sondern las mehrere Dutzend Seiten aus einer Erzählung, an der sie arbeitet. „Die Liebe in der Zeit danach“ beschreibt eine Frau, der mit dem Geliebten auch allmählich das Gedächtnis verlorengeht. Die Liebesgeschichte, mit deren Rekonstruktion die alterslose Ich-Figur beschäftigt ist, soll sie für den Verzicht entschädigen, die ihr 40 Jahre Diktatur aufgezwungen hatten.
Die Essay-Thesen, die in der Humboldt-Uni noch mehr als anderswo als Provokation wirken mußten, kamen so nur in der Diskussion zur Sprache. Eine Stimme aus dem Publikum versuchte – spürbar erschüttert – eine Brücke zu bauen: Ob die Medien nicht manches Wort verdreht wiedergegeben hätten, ob Monika Maron ihre Kritik denn wirklich so stehenlassen wolle? Die Schriftstellerin, selbst einmal Humboldt-Studentin, gab eine kurze Antwort: „Ich habe gar nichts zurückzunehmen.“ Am Ende gab's herzlichen Beifall für die Nestbeschmutzerin. mon
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen