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„Viel zu kinderlieb“

■ Prozeß um Kinderhandel fortgesetzt

Moabit. „Niemals“, versicherte die 36jährige Holländerin Maria d. B. gestern in einer Prozeßpause, „hätten mein Mann und ich ein geklautes Kind gekauft.“ Dafür seien sie beide viel zu kinderlieb. Weil ihr großer Kinderwunsch unerfüllt geblieben sei, hätten sie sich zu einer Adoption entschlossen. Die schlanke Sinti-Frau und ihr 43jähriger untersetzter Gatte Ludovicus müssen sich seit Beginn der Woche wegen Kindesentziehung und Freiheitsberaubung vor der 6. Strafkammer des Landgerichts verantworten.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß das Paar als Teil einer internationalen Kinderhändlerbande für die Entführung des einjährigen Mate S. am 10. Oktober 1991 aus einem Kladower Asylbewerberheim verantwortlich ist. Die Kripo hatte den Jungen kurz nach der Entführung zusammen mit der kleinen Zuhra K., die Wochen zuvor aus einem Braunschweiger Asylbewerberheim verschwunden war, im Wohnwagen der Holländer in Charlottenburg gefunden.

Vor Gericht beriefen sich die beiden Angeklagten darauf, sie hätten Mate S. adoptieren wollen. Der Junge sei ihnen von dem 24jährigen Serben Steven T. am 10.Oktober in den Wohnwagen gebracht worden. Steven T. habe sich dabei so glaubhaft als der Vater des Kindes ausgegeben, daß ihnen keine Zweifel gekommen seien. In Wirklichkeit hatte der Serbe den Jungen zusammen mit dem 28jährigen Rumänen Ioachim C. aus dem Kladower Heim geraubt. Beide sind in dem Prozeß mitangeklagt, haben die Entführung gestanden und auch bestätigt, daß Steven T. gegenüber den Holländern den Vater des Jungen mimte.

Ob es der Staatsanwaltschaft gelingen wird, den Beweis dafür zu erbringen, daß die Holländer von der Entführung Mates wußten und zudem planten, das Kind weiterzuverkaufen, erscheint fraglich. Maria d. B. erzählte gestern in einer Prozeßpause, sie habe dreimal vergebens in einer Rotterdamer Klinik eine künstliche Befruchtung vornehmen lassen. Die Bescheinigungen dafür lägen dem Gericht vor. Auch in Berlin hatte sich die Angeklagte vor ihrer Festnahme einen Beratungstermin für eine künstliche Befruchtung vermitteln lassen, wie gestern ein Arzt als Zeuge bestätigte. Der Prozeß wird kommende Woche fortgesetzt. plu

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