■ Daumenkino: Reinkarnation
Aufgemerkt, Esoteriker, New Ageler, Wiederkommer: Hier kommt euer Dokumentarfilm aus Tibet. Der Meister Khensur Rinpoche verstirbt, und sein Schüler, ein tibetanischer Mönch, begibt sich auf die Suche nach seiner Reinkarnation. Die Filmemacher Sonam und Sarin haben den Mönch begleitet, bis das Orakel sein Augenmerk auf einen kleinen vierjährigen Jungen aus dem Süden Chinas lenkt. Daraufhin wird dieser von seinen Eltern getrennt und in das Kloster des Mönchs in Indien gebracht. Der Knabe wird fürderhin mit seinem vorgeblichen Ahnen konfrontiert und in dessen Lehren unterwiesen. Auf die Art kommt eine self-fulfilling prophecy zustande: Etwas anderes als Lama kann der Lütte jetzt gar nicht mehr werden. Der Film widmet sich hauptsächlich der Beziehung zwischen dem hingebungsvollen Mönch, der auf der Suche nach einem geistigen Vater selbst zum Vater wird, und seinem Zögling, der trotz des inneren Glanzes durchaus mit Lego spielen und vor sich hinkichern kann. Logischerweise sind die spirituellen Notwendigkeiten wichtiger als soziale Verankerung: Erst bei den Mönchen in Indien hat der Kleine seine wahre Heimat gefunden. So vollzieht sich an ihm, was die politische Führung der Buddhisten seit Jahren von den Chinesen fordert: Der Glaube muß über alle historischen Okkupationen und politischen Entscheidungen den Sieg davontragen; ein befreites Tibet hätte eine Nationalreligion, wie sie ansonsten seit der Aufklärung aus den republikanischen Verfassungen ausgeschlossen ward. Ein ums andere Mal ist man an Bernardo Bertoluccis „Der letzte Kaiser“ erinnert; nur daß dort die Strenge des Regiments wie auch seine Unvermeidbarkeit spürbarer gemacht wurden. Natürlich fällt einem auch das christliche Pendant zur Hoffnung auf die Macht eines unschuldigen Kindes ein; auch wenn der metaphorische Charakter dieser Hoffnung deutlicher ist. In Die Reinkarnation geht es in erster Linie um die Dokumentation des Lebens in der tibetanischen Diaspora, undogmatisch, aber absolut respektvoll wird ein Zyklus beschrieben, in dem spirituelle Autorität von einer Generation auf die nächste weitergegeben wird. Die Kamera wird dabei durchaus von beiden Seiten benutzt. Der Kleene glotzt uns einmal direkt an und kräht: „Meine Nase läuft. Ich kann es in der Kamera sehen.“ mn
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