piwik no script img

IM Kassandra

■ Christa Wolf wurde von der Stasi als „Inoffizieller Mitarbeiter“ geführt

Berlin (dpa) – Ebenso wie der Dramatiker Heiner Müller wurde auch die ostdeutsche Schriftstellerin Christa Wolf („Der geteilte Himmel“) als „Inoffizieller Mitarbeiter“ der Staatssicherheit der früheren DDR geführt, später dann aber selbst in einem „operativen Vorgang“ zum Opfer von Überwachungen der Stasi. Dies teilte die Autorin jetzt überraschend mit, nachdem sie bereits im vergangenen Mai ihre 42 Bände umfassenden Akten bei der Gauck-Behörde eingesehen hatte. Die „Vorgänge um Heiner Müller“ seien für sie der letzte Anstoß gewesen, sich damit jetzt an die Öffentlichkeit zu wenden, betonte die gegenwärtig mit einem Stipendium in den USA lebende Autorin in einem Beitrag für die „Berliner Zeitung“.

Danach wurde sie von 1959 bis 1962 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR zunächst als „GI“ (Gesellschaftlicher Informant) und dann als „IM“ geführt. Diese Entdeckung habe sie „völlig unvorbereitet“ getroffen, versichert die Schriftstellerin, die von 1963 bis 1967 auch Kandidatin des SED-Zentralkomitees war. Sie habe auch einen Decknamen erhalten, woran sie sich aber nicht mehr erinnere. Dies habe sie damals nicht gewußt und auch keine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Allerdings räumt sie ein, seinerzeit „von zwei Herren der ‘Behörde‘ aufgesucht“ worden zu sein. „Derart eingeschüchtert, erklärte ich mich bereit, mich wieder mit ihnen zu treffen.“ Ab 1968, nach den kulturpolitischen Auseinandersetzungen um ihre Werke Mitte, seien sie und ihr Mann dann als „Operativer Vorgang“ mit dem Decknamen „Doppelzüngler“ observiert worden.

Christa Wolf trat 1989 aus der SED aus und löste einen „deutschen Literaturstreit“ aus, als sie erst 1990 ihre bereits 1979 entstandene Erzählung „Was bleibt“ über die Bespitzelungen der „Krake Staatssicherheit“ aus eigener Betroffenheit veröffentlichte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen