Kaffee, an dem kein Blut mehr klebt

Ab Februar ist in Kaufhäusern und Supermärkten „fair gehandelter“ Kaffee zu haben/ „TransFair“-Siegel auch für Kaffeekonzerne/ Solidaritätsbewegung kritisch  ■ Von Bernd Pickert

Nach Umweltengel und Grünem Punkt werden sich die VerbraucherInnen ab dem 1. Februar mit einem neuen Gütesiegel konfrontiert sehen. In Kaufhof, KaDeWe und einigen Supermärkten Berlins werden neben Jacobs und Tschibo, Eduscho und Melitta auch Kaffeepäckchen angeboten, die mit dem Verweis „TransFair“ versehen sind. TransFair steht für „fair gehandeltes Produkt“. Im Klartext: Dieser Kaffee wird zu Preisen deutlich über dem derzeitigen Weltmarktniveau direkt bei den ProduzentInnen erstanden – eine „Investition in mehr Gerechtigkeit“ im Welthandel nennen das die InitiatorInnen. Der Preis für die 500-Gramm-Packung wird zwischen zehn und zwölf Mark betragen. „Normaler“ Kaffee ist bereits für sieben Mark zu haben.

Der Kaffeepreis ist in den letzten Jahren ins Bodenlose gefallen. Die KleinproduzentInnen in den Ländern der Dritten Welt sollen nun mit „TransFair“ eine Absatzmöglichkeit zu besseren Konditionen erhalten. Dies wird, so Dieter Overath, Mitarbeiter der Geschäftsstelle des TransFair e.V., nicht nur durch die höheren Preise erreicht. Vor allem soll der Direktimport die lange Kette von Zwischenhändlern ausschalten.

Der Verein TransFair e.V., entstanden nach dem Vorbild der niederländischen „Max Havelaar Stiftung“, treibt selbst keinen Handel. Er vergibt lediglich das TransFair- Siegel an Importfirmen, die nach den vorgegebenen Kriterien ihren Kaffee von einem der fünfzig beim Verein registrierten Produzenten beziehen. In der Bundesrepublik sind das bislang drei Importeure, darunter die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt (Gepa). Sie ist die erste, die im Februar bundesweit die neuen Marken mit den karikaturreifen Namen „Camino Mild“ und „Esperanza Öko“ auf den Markt bringt.

So weit, so gut, ist doch die Gepa schon seit Jahren die Hauptlieferantin der meisten Eine-Welt-Läden und bietet ausschließlich alternativ gehandelte Produkte an. Doch kann das Siegel auch an große Konzerne vergeben werden, die bislang Zielscheibe der Kritik der Solidaritätsbewegung waren, Motto: „Kaffee, an dem Blut klebt“. Bekanntestes Beispiel: Die „Union Kaffee“ aus Hamburg, viertgrößte Rösterei der Bundesrepublik, hat jetzt ebenfalls das Siegel beantragt – und wird es auch bekommen. Wie fair ist also TransFair? Kritik am Konzept entstand schon, als vor zwei Jahren erstmals über diese Idee diskutiert wurde. Insbesondere die Solidaritätsbewegten der MITKA, die seit Jahren den in der Szene hinlänglich bekannten Nicaragua-Kaffee „Sandino-Dröhnung“ vertreiben, tun sich schwer mit der neuen Konkurrenz. Zwar würden zahlreiche der TransFair-Kriterien auch ihren Bedingungen entsprechen. Gerade die politische Informationsarbeit jedoch, auch die in der Bundesrepublik für ausbeuterische Strukturen Verantwortlichen zu benennen, sei im Supermarkt nicht möglich – und von TransFair auch nicht gewollt. „Konzerne, die für die strukturellen Ungerechtigkeiten dieser Weltwirtschaftsordnung Mitverantwortung tragen, handeln plötzlich ganz ,fair‘ mit zu fairen Bedingungen eingekauftem Kaffee und informieren auch noch über ungerechte Welthandelsstrukturen? Eine absurde Vorstellung!“ meinen die MITKA-Leute. Das wesentliche Element der TransFair-Kampagne sei, den ErzeugerInnen mehr Geld zukommen zu lassen. Mit den ursprünglichen Konzepten des „Solidaritäts- Kaffees“ aber habe das wenig zu tun.

Dennoch kann sich auch die MITKA, deren Sandino-Kaffee nach der Wahlniederlage der SandinistInnen 1990 einen Umsatzrückgang von 20 Prozent verbuchen mußte, dem Reiz der Expansion nicht gänzlich entziehen. Zudem muß MITKA die Konkurrenz fürchten, denn wer den Sprung zum „Dritte-Welt-Laden“ nicht schafft und bislang verschämt und „nur ausnahmsweise“ im Supermarkt zur Krönung griff, könnte nun ganz auf den auch um die Ecke zu erwerbenden TransFair-Kaffee umsteigen. Imagepflege für die Nicaragua-Dröhnung als „echten“ Solidaritätskaffee ist angesagt: „Wir sind radikaler als TransFair.“ Hans Häge von Ökotopia, die in Berlin den Nica-Kaffee unters alternative Volk bringt: „Na schön, also besser TransFair als Jacobs, aber noch besser Sandino-Dröhnung.“

Andere gehen wesentlich schärfer mit TransFair ins Gericht. So schimpft Thomas Lampe vom Neuköllner „Info-Laden Dritte Welt“: „Es ist euphemistisch, diesen Kaffee als ,fair gehandelt‘ zu bezeichnen. Der Preis setzt an bei dem zuletzt vor dem Zusammenbruch des Kaffeeabkommens gezahlten Weltmarktpreis. War der fair?“ Ein mit hiesigen Löhnen vergleichbarer Preis würde bei rund 50 DM pro Pfund liegen. Und: „Gerade die schwächsten, die wir durch unsere Arbeit immer unterstützen wollten – z.B. Kooperativen, die auf besetzten Ländereien arbeiten – fallen bei den TransFair-Kriterien unten durch. Hier geht es nur noch darum, mehr zu verkaufen.“ Im Neuköllner Laden wird kein TransFair-Kaffee zu finden sein, auch die Verbindungen zur Gepa sind abgebrochen.

Nach ersten „Testmärkten“ und Meinungsumfragen sind die TransFair-Leute optimistisch. Noch in diesem Jahr sei ein Marktanteil von einem Prozent zu erreichen, hofft Dieter Overath – und das bedeutet auf dem deutschen Kaffeemarkt schon eine Menge. Die Gepa strebt 1993 eine 100prozentige Umsatzsteigerung an. Man darf gespannt sein, ob die neuen Produkte Bewegung in die Konzernlandschaft bringen. Die Großen jedenfalls halten sich bislang bedeckt. Der deutsche Marktführer Jacobs will auf den Trend nicht einsteigen. Pressesprecher Kleineke erklärte kurz und bündig: „Jacobs Suchard wird einen Dritte-Welt-Kaffee nicht auf dem Markt einführen, da er den Preis für Rohkaffee künstlich hochhalten und damit die Überproduktion fördern würde. Ein Preis, der sich durch Angebot und Nachfrage selbst regelt, ist ein stabileres und wirksameres Mittel, um den Erzeugerländern langfristig zu helfen.“ Solch ungebrochener Glaube an die wundersame Hand des Marktes läßt den TransFair-Kaffee denn doch zu einem fast revolutionären Projekt werden.