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Bosnien: Karadzic fordert Referendum

■ Über die Annahme des Genfer Friedenplans sollen die bosnischen Serben entscheiden / Owen schlägt Übergangsregierung für Bosnien vor / Russische Nationalisten wollen Serben helfen

Zagreb (AP) – Einen Tag nach der Annahme des Genfer Friedensplans durch die bosnischen Serben hat sich der Ton zwischen den Unterhändlern wieder verschärft. Serbenführer Radovan Karadžić forderte am Donnerstag ein Referendum über die geplante Aufteilung Bosniens in zehn Provinzen. EG-Vermittler David Owen rief Karadžić auf, seine im Widerspruch zum Friedensplan stehenden Äußerungen bei der nächsten Runde der Genfer Verhandlungen am Samstag zu erklären. Owen schlug außerdem die Bildung einer Übergangsregierung für Bosnien vor, in der alle drei in der Republik lebenden Volksgruppen vertreten sein sollen. So könnten ihr der amtierende Präsident Izetbegović für die Muslimanen, Serbenführer Karadžić und der kroatische Politiker Mate Boban angehören.

Owen sagte nach Unterredungen mit der kroatischen Führung in Zagreb, daß vieles, was von serbischer Seite geäußert worden sei, „vielleicht nur Schaumschlägerei“ sei. Karadžić werde jedoch klarstellen müssen, daß die Zustimmung des bosnischen Serbenparlaments am Mittwoch „eine bedingungslose Annahme der neun Prinzipien“ zur staatlichen Neuordnung Bosniens gewesen sei. In einer Erklärung Karadžićs heißt es dagegen, der bereits bestehende Serbenstaat in Bosnien habe mit der Annahme des Friedensplans nicht aufgehört zu existieren. Dies sei erst dann der Fall, wenn das serbische Volk dies beschließe. Überdies müßten die Grenzen der zehn geplanten Provinzen unter demokratischen Gesichtspunkten gezogen werden. Sie müßten in einer Volksabstimmung über die neue Verfassung bestätigt werden.

In Belgrader Führungskreisen wird die als „Ratifizierung“ bezeichnete Abstimmung des Parlaments als „internationale Anerkennung der Versammlung und ihrer Bestätigung als ein demokratisches Organ“ gewertet. Die „Serbische Republik in Bosnien- Herzegowina“ ist im Gegensatz zu Bosnien-Herzegowina nicht international anerkannt.

Bei der Schlacht an der Drina in Ostbosnien setzten muslimische Truppen trotz heftigen Widerstandes der Serben ihren Vormarsch offenbar fort. Dabei griff nach kroatischen Angaben jugoslawische Artillerie vom rechten Ufer aus wieder in die Kämpfe ein. Im mittelbosnischen Gorji Vakuf, wo die gegen die Serben verbündeten Muslimanen und Kroaten gegeneinander gekämpft hatten, beruhigte sich die Lage offenbar noch nicht ganz. Die UNO teilte in Sarajevo mit, die Nachricht über den in der Nacht vereinbarten Waffenstillstand habe noch nicht alle Einheiten erreicht.

Führende russische Nationalisten haben in der konservativ- kommunistischen Tageszeitung Prawda einen Appell zur Verteidigung der „serbischen Brüder“ veröffentlicht. Darin wird unter anderem zur Entsendung von „slawischen Freiwilligenverbänden“ ins ehemalige Jugoslawien aufgerufen. Der Text wurde von führenden Mitgliedern der bekanntesten nationalistischen Bewegungen wie der Nationalen Rettungsfront, der faschistischen Bewegung Pamjat sowie den Chefredakteuren der Zeitungen Nasch Sowremennik und Sowjetskaja Rossija unterzeichnet. Begründung: Die „neue Weltordnung“ diene dazu, eine Militärintervention in der „slawischen Welt“ vorzubereiten.

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