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Muslimische Frauen als Hauptopfer

■ Amnesty international berichtet über Vergewaltigungen in Bosnien-Herzegowina, nennt jedoch keine Opferzahlen

Genf (taz) – Differenzierter und zurückhaltender als andere Organisationen hat sich amnesty international gestern zur Frage der Vergewaltigungen in Bosnien-Herzegowina geäußert. In dem in Genf veröffentlichten Bericht „Vergewaltigungen und sexueller Mißbrauch durch bewaffnete kräfte“ heißt es zwar wörtlich: „Ai glaubt, daß der Mißbrauch von Frauen einschließlich Vergewaltigung in Bosnien-Herzegowina weitverbreitet und in einigen Fällen systematisch angewendet worden ist.“ Doch weil es „extrem schwierig“ sei, „den vollen Umfang des sexuellen Mißbrauchs festzustellen“, nennt ai keine Zahlen. Andere Organisationen, Journalisten und Politiker – so z.B. der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Schwarz – hatten dagegen von bis zu 60.000 vergewaltigten Frauen berichtet.

Der Anfang Januar veröffentlichte Bericht einer EG-Kommission nannte die Zahl von „rund 20.000“ die „seriöseste der vorliegenden Schätzungen“. Bosniens Außenminister Haris Silajdzic sprach Mitte Dezember von „zwischen 14.000 und 30.000 muslimischen Vergewaltigungsopfern“. Zur Begründung erklärte er, dies sei die Zahl der verschleppten und verschwundenen Frauen, deren Verbleib – im Unterschied zu Männern aus denselben Orten – zum damaligen Zeitpunkt ungeklärt sei.

Laut ai haben „sich alle am Konflikt beteiligten Parteien der Vergewaltigung von Frauen schuldig gemacht“. „Frauen verschiedenster Herkunft“ seien zu Opfern geworden. „Hauptzielscheibe“ seien aber „eindeutig muslimische Frauen in der Hand serbischer Streitkräfte gewesen“. Amnesty schildert Fälle, in denen Soldaten Privatgebäude und Hotels in Bordelle verwandelten, und teilt mit, Informationen über Vergewaltigungen in Haftlagern erhalten zu haben.

Für diese Informationen habe die Organisation bisher allerdings keine endgültigen Bestätigungen. Frauen und junge Mädchen seien aus Buskonvois gezerrt und sofort vergewaltigt oder aber später dazu gezwungen worden, von der Front zurückkehrenden Soldaten „zu Diensten“ zu sein. Weiter heißt es in dem Bericht, „muslimische und serbische Frauen hätten“ sexuelle Grausamkeiten früherer Nachbarn erdulden müssen, die der jeweils anderen Volksgruppe angehörten und nun in Kampfuniformen steckten. Ob Vergewaltigungen in Bosnien-Herzegowina „bewußt als Kriegswaffe eingesetzt würden, müsse offenbleiben“. Sicher sei jedoch, „daß die örtlichen Befehlshaber von den Mißbräuchen gewußt hätten“.

Amnesty international zitiert in dem Bericht den Fall eines muslimischen Mädchens, das zusammen mit anderen Frauen von Serben in Waldhütten nahe ihres Dorfes verschleppt worden sei. Dort sei sie mit 23 Leidensgenossinnen drei Monate lang festgehalten und vor den Augen der anderen Frauen wiederholt vergewaltigt worden.

Ein zweiter ebenfalls gestern veröffentlichter ai-Bericht enthält Informationen über von serbischen Soldaten durchgeführte „ethnische Säuberungen“ in der einst vornehmlich von Muslimen bewohnten Region um Bosanski Petrovac im Nordwesten Bosniens. Der Bericht beruht auf Tagebucheintragungen eines Muslims aus der Zeit zwischen April und November 1992. Andreas Zumach

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