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Die feministische Paradoxie

■ Die Institutionalisierung von Frauenforschung: Zwischen Protest und Disziplin

„Ein Paradox unterscheidet sich von einer Widersprüchlichkeit durch die Unmöglichkeit seiner Auflösung, durch das Gefangensein in gegensätzlichen Polen, die keine Entscheidungsfindung zulassen“, schreibt die Soziologin Cornelia Giebeler und bringt damit das Problem auf den Punkt. Es erscheint ihr paradox, einerseits von Institutionen materielle Mittel einfordern zu wollen und im gleichen Moment den androzentrischen, also auf Männer zentrierten Charakter eben dieser Institutionen grundlegend zu kritisieren.

Die Rede ist vom widersprüchlichen Prozeß der Institutionalisierung von Frauenforschung. Thema des beim AJZ-Verlag erschienenen Buches mit dem Titel „Zwischen Protest und Disziplin. Die feministische Paradoxie“ ist einerseits, wie die Institutionalisierung dieser Paradoxie vonstatten geht, und andererseits, wie ein konstruktiver Umgang mit der Paradoxie durch Reflexion möglich sein kann.

Giebelers Grundthese lautet: Inhalt und Organisationsform der Institution Wissenschaft seien androzentrisch; die Organisationsstruktur erfolge als Männerbund. Außerdem verwerte mann integrierbare Teile der Frauenforschung und forciere damit die Spaltung zwischen Feministinnen. Obwohl die Institutionenpolitik der feministischen Forschung sich an der herrschenden Macht orientiere, läge ihre tatsächliche Stärke gerade nicht in der Teilhabe bestehender Herrschaft, sondern in deren Verweigerung und dem Verfolgen einer eigenen Spur.

Die sich im Zuge der Neuen Frauenbewegung herausbildenden feministischen Institutionen sind mit Institutionen herkömmlicher Art nicht vergleichbar, entsteht doch in ihnen immer wieder Subjektives, Nicht-Institutionalisiertes. Mögen sich mittlerweile verschiedene feministische Institutionen gebildet haben, eines kennzeichnet sie nach Meinung der Autorin alle gleichermaßen: Sie sind Widerstandsnester. „Innerhalb dieser Widerstandsnester liegt zum einen so etwas wie eine feministische Heimat, und zum anderen besteht das ,Nest‘ aus all den Unterschiedlichkeiten und Auseinandersetzungen zwischen Frauen, die respektiert und verarbeitet werden müssen. Das heißt, die zentrale Instanz in einer feministischen Institution ist die Interaktion, sind die Beziehungen unter beteiligten Frauen. Existiert dieser Beziehungszusammenhang nicht mehr, ist die Institution als feministische Institution tot“.

Gieblers Resümee: Innerhalb der sich etablierenden Frauenforschung sei ein großer Teil feministischer Forschung in erster Linie auf die Beschaffung von Stellen, Geld und Akzeptanz innerhalb der bestehenden Herrschaftsinstitutionen ausgerichtet. Die Autorin hält es zwar für grundsätzlich notwendig, diese Forderungen an den Staat zu stellen, warnt aber gleichzeitig vor der Gefahr, daß sich die Kräfte so stark auf die herrschende Institution richten, „daß für eine Reflexion des Eigenen, für die Entwicklung politischer und persönlicher Autonomie kein Raum mehr bleibt“. Da Giebeler jedoch an den Widerstandsgeist von Frauen sowie an ein grundsätzlich vorhandenes Potential weiblicher Solidarität glaubt, sieht sie in dem Erhalt feministischer Institutionen als Widerstandsnester einen Umgang mit der paradoxen Lage.

Die Soziologin Veronika Bennholdt-Thomsen gibt sich da weniger optimistisch. Im Vorwort bezweifelt sie angesichts der „militant ,imperialistischen‘ Haltung der (Menschen in den) Institutionen“ und des nicht stattgefundenen Kulturwandels den weiteren Fortbestand von „Widerstandsnestern“. Sie sieht für die feministische Forschung als Profession schon allein deshalb keine Zukunft, weil der notwendige Kulturwandel weder bei Frauen noch bei Männern stattgefunden habe.

Welche Prognose sich auch bewahrheiten wird, es ist in jedem Fall der Blick, der über das Tagesgeschäft hinausgeht und immer wieder die politische und moralische Integrität feministischer Forschung einfordert, der Cornelia Giebelers Analyse lesenswert macht. Christa Müller

Cornelia Giebeler: „Zwischen Protest und Disziplin. Die feministische Paradoxie“. AJZ-Verlag, Bielefeld1992, 223Seiten, 30Mark

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