: Spiel der Brücken
■ Augusto Fernandes Ibsen-Bearbeitung "Königsblut" im Schauspielhaus
im Schauspielhaus
Es beginnt wie ein steifes Betriebsfest auf einer leeren Bühne. Zwölf Personen verlieren sich halb andächtig, halb gelangweilt zwischen zwölf Stühlen. Doch plötzlich entsteht mit fordernder Bewegung ein Prolog und mit knappesten Ton- und Lichtmitteln eine Kathedrale aus dem Nichts. Die Erzählung eines königlichen Zwei- (eigentlich Drei-)kampfes im Norwegen des 13. Jahrhunderts beginnt sich kunstvoll zu entspinnen.
Hakon Hakonsson (Udo Thies), dem gewählten Thronfolger, wird von seinem ehemaligen Vormund Skule Bardsson (Josef Bierbichler) der Anspruch auf die Königswürde streitig gemacht. Allerdings wagt es der Herzog Skule viele Jahre nicht, es zum offenen Konflikt kommen zu lassen, und gerät mit seinem Zögern in das intrigante Spiel des Bischofs Nikolas (Dieter Mann), der in ihm den beständigen Zweifel an Harkons königlicher Abstammung nährt. Schlußendlich obsiegt der vom Glück begünstigte politische Neuerer Harkon über den von Moral und Skrupeln geplagten Verfechter alter Gesetze Skule und den machtgierigen Bischof.
Mit Königsblut, der Neubearbeitung des Ibsen-Frühwerkes Die Kronprätendenten, ist es Augusto Fernandes gelungen, ohne historisierende Verlegenheitslösungen, einen sagenhaften Stoff packend und modern zu inszenieren. Mit einer intelligenten Alchemie aus vergangenen und heutigen Stilmitteln und brillant geforderten Schauspielern erwächst eine düstere Epoche phantasievoll und packend.
So läßt Fernandes seine Protagonisten beständig zwischen Erzählung in Erinnerung an mittelalterliche Lieder und tatsächlicher Rollenerfüllung springen. Auch die Kostüme (mal Smoking, dann Prunkgewänder) und Fernandes konsequent spärlich-schöne Bühne verwandeln sich ohne Brüche zwischen den Zeiten. Durch dieses mutige Miteinander verliert die Inszenierung erstaunlicherweise weder Tiefe noch Ernst, sondern erlaubt es vielmehr, eine weitverzweigte Geschichte zu erfassen, die, von kurzen Hängern abgesehen, über drei Stunden zu faszinieren weiß.
Josef Bierbichler und Dieter Mann bescheren zwei kleine Sternstunden der Schauspielkunst. Der ewige Grübler Skule, der eigentlich gerecht und menschlich ist, aber von Neid zerfressen sich schrecklich täuschen läßt, und der aus Feigheit schlau gewordene Kleriker erfüllen die Brücke zwischen Geschichte und Zeitlosigkeit, die Fernandes schlägt, mit Bravour. Abgerundet durch die farbige und wilde Klangarbeit von Theodor Ross und brillante Nebenrollen wie Matthias Fuchs als Skalde vollendet sich ein schöner und geistvoller Theaterabend. Till Briegleb
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