: Den Staub aus den Köpfen saugen
■ Türkisches Frauen-Kabarett — eine Aufforderung, vor den eigenen Türen zu kehren
Wenn eine Türkin auf der Suche nach einer Arbeit ist, läßt sich leicht vermuten, wo sie eine Stelle bekommen kann. Die „Putzfrauen“ vom Arkadas-Theater aus Köln, Figen Canatalay, Lale Konuk, Seyhan Tezcanli und Taies Farzan, haben sich vorgenommen, diesem Klischee eine Lektion zu erteilen. Als die türkischen Kabarettistinen am Freitag abend im Lagerhaus auftraten, platzte der Raum aus allen Nähten.
Die Geschichte der „Putzfrauen“ spielte sich im wesentlichen — bis auf wenige Ortswechsel — im europäischen Haus ab. Da ging es, zum Teil in einer rasenden Geschwindigkeit, um die Ausländergesetze, das deutsche Beamtentum, die Behörden, der freie Wohnungsmarkt, Wiedervereinigung, türkisch-deutsche Männlichkeiten, die deutschen Waffenlieferungen an die Türkei. Nichts und niemand blieb verschont. Die „Putzfrauen“ erteilten Nachhilfe in fast allen Bereichen des täglichen Lebens. Während der Arbeit stiegen immer wieder die Erinnerungen an die Heimat auf, da konnten die „Putzfrauen“ nichts mehr mit den Regeln am Arbeitsplatz anfangen und schwangen ihre Besen beim Tanz gegen den Alltag.
Obwohl die TürkInnen nicht ins europäische Haus aufgenommen werden, für eine Putzstelle dürfen sie sich dennoch bewerben. Die eingedeutschte Türkin, die von anderen türkischen Kolleginnen später als „multikulturelle Meisterpropperin“ beschimpft wird, macht die Neulinge auf die geltenden Regeln im europäischen Haus aufmerksam. Der Versuch der Neulinge, Türkisch zu reden, scheitert jedes Mal, da es hier Pflicht ist, Deutsch zu reden. Denn die Wanzen an der Wand „verstehen“ nur Deutsch. Am Ende jubeln sie dennoch, da sie sich durch die Hintertür den Zugang ins europäische Haus verschafft haben.
Die unglücklich verheiratete, mißhandelte junge Türkin träumt von einem deutschen Ehemann, der liebevoller sein soll als ihr türkischer. Sie wird von der älteren Kollegin eines Besseren belehrt. Diese ist überzeugt davon, daß der deutsche Mann sich nach außen zivilisiert verhält und insgeheim den türkischen Mann beneidet. Da entscheidet sich die Unglückliche doch lieber für das Original. Sowohl die türkischen als auch die deutschen Männer bekamen von den „Putzfrauen“ ihr Fett ab.
Probleme hatten die „Putzfrauen“ reichlich. So z.B. bei der Wohnungssuche, wenn die Vermieterin nur an Deutsche vermieten will. Die redegewandte Frau eines türkischen Botschafters bekommt die Wohnung dennoch, kann sie der Vermieterin doch kostenlosen Urlaub am Schwarzen Meer bieten. Da kann eine Putzfrau mit 4 Kindern und dürftigem Einkommen natürlich nicht mithalten.
Der Begriff „Putzen“ wurde bis zum Exzeß ausgewalzt. Die „Putzfrauen“ jonglierten einerseits überraschenderweise mit sprachlichen Spitzfindigkeiten, andererseits erfüllten sie auch die Erwartungen an klischeehaften Sprachmißverständnissen. Gerade weil die Texte sehr vielschichtig waren, wäre es wünschenswert gewesen, daß die Kabarettistinnen mehr Luft zwischen den einzelnen Sketchen gelassen hätten. Durch eine gewisse Hast, das Programm „abzuspulen“, ohne das Ende des Beifalls oder Gelächters abzuwarten, nahmen die „Putzfrauen“ sich selbst etwas von ihrem Programm. Die „Putzfrauen-Lieder“ auf Deutsch in Begleitung der traditionellen türkischen Musik hatten für die türkischen ZuschauerInnen einen angenehmen Wiedererkennungseffekt.
Obwohl das multikulturelle Publikum sich sehr amüsierte, bleibt offen, ob diese ZuschauerInnen die Richtigen waren, aus deren Köpfen die „Putzfrauen“ den Staub saugen wollten. Für die türkischen ZuschauerInnen war das Stück eine Darstellung dessen, was man untereinander sowieso denkt — eine Art Genugtuung. Für die deutschen ZuschauerInnen, die zum größten Teil zum Ausländerfreundeskreis zu zählen waren, ein amüsanter Abend.
Für die bremische Kulturlandschaft wäre es sicherlich eine Bereicherung, wenn auch hier türkische kulturelle Darbietungen über Folklore-Veranstaltungen hinausgehen könnten. Gülbahar Kültür
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