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Jammer in der Kammer

KOMMENTAR

Jammer in der Kammer

Hamburgs Handelskammer ist eine alte und mächtige Institution. Seit jeher organisiert sie, meist still und leise, den Konsens der Kaufleute. Das Rathaus hat anschließend zur gefälligen Umsetzung zu schreiten. Einmal im Jahr, am 31.Dezember, wird dieses Verfahren als folkloristisches Ritual zelebriert: Auf der „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns“ liest die Kammer dem Senat feierlich die Leviten.

An all dem hat sich bis heute kaum etwas geändert. Doch plötzlich, so registriert die Kammer entsetzt, ist Sand in diesem Getriebe. Immer mehr Gruppen der Stadt wollen (und das auch noch ungefragt!) mitreden, wenn es ums politische Gestalten geht. Ob runde Tische zur Millerntor- Bebauung oder Bürgerprotest auf der Stresemannstraße — die Öffentlichkeit beginnt in den alten exklusiven Jagdrevieren der Kammer zu wildern. Die Kammer reagiert verstört.

Das zeigt sich nicht nur in ihrer für hanseatische Verhältnisse ungewöhnlichen Journalistenschelte (siehe nebenstehenden Artikel). Die Kammer hat den Anschluß verpaßt. Sie hat übersehen, daß die guten alten Zeiten, als die Kammer, Axel Cäsar Springer und Helmut Schmidt hinter verschlossenen Türen das Gemeinwohl definierten, unwiederbringlich verloren sind. Heute müßte sich die Kammer dem offenen Dialog stellen, sich als eine unter vielen Interessenvertretungen profilieren. Sie müßte sich öffnen, ihren Alleinvertretungsanspruch aufgeben und die konstruktive Auseinandersetzung suchen.

Einige klügere Köpfe in der Kammer haben das zwar erkannt — doch noch regiert der alte Geist, als die Kammer den Gral der wahren Kenntnis des Gemeinwohls gepachtet zu haben glaubte. Auf den Veränderungsdruck reagiert die Kammer heute in klassischer Weise: Sie verdrängt ihre Identitätskrise und beschimpft ihre Umwelt. Therapie gefällig? Florian Marten

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