: Das Geheimnis der Stimmung
■ Das Kölner Quartett „Tome XX“ spielte bei DACAPO auf
Irgendwas stimmte nicht am Sonntag Abend. Zuerst gab noch vor Beginn des Konzerts Dieter Manderscheids Baßbogen seinen Geist auf. Der schnell organisierte Ersatz verzögerte den Konzertanfang zwar nur unwesentlich, aber die Stimmung des Kölner Vierers schien schon vorher gedämpft. Daran änderte auch der Auftritt nur wenig. Obwohl die Musik von Dirk Raulf (ts, bs), Thomas Heberer (tp), Dieter Manderscheid (b) und Fritz Wittek (dr) ihrem Charakter nach durchaus dazu angetan ist, gute Laune zu verbreiten.
Eingängige, kurze melodische Ideen werden mit komplexen Rhythmen unterlegt, die sich in manchmal skurrilen Wechseln verschieben. Die Soli sind kurz gehalten, experimentelle Klang-und Soundauslotungen eingeschoben. Ein bis drei Ideen werden, aufs Wesentliche konzentriert, zielstrebig ausgefeilt. In den Resultaten scheint oft ein selbstironisches Lächeln durch, das die Musik selbst bei solchen gedämpften Stimmungen wie am Sonntag so kurzweilig und amüsant macht.
Voraussetzung für solcherlei musikalisches Arbeiten sind kompetente MusikerInnen. Die vier Kölner sind mehr als das. Wittek und Manderscheid sind nicht nur ein traumhaft eingespieltes Rhythmusgespann, sondern auch vielseitige Solisten. Fritz Wittek, am Sonntag mit Hut und vorwiegend Pokerface, ist in der freien Exploration von Rhythmen ebenso einfallsreich, wie er in den gängigen Taktschemen zuverlässig ist. Aus diesem rhythmischen Spektrum trommelt er skurrile Wechselbäder zusammen. Der agile Bassist Dieter Manderscheid, dessen jungenhafter Meckiwirbel ihm oft einen verschmitzten Ausdruck aufs Gesicht zaubert, strich seinen Baß auch mit geliehenem Bogen so meisterlich wie er ihn „gehen“ ließ. Thomas Heberer, meist leicht vorgebeugt oder zum Boden gewandt spielend, entlockt seiner Trompete mal klassisch klare Töne, mal scharfkantige Highnotes, mal schmutzig brötzige Klänge. Dirk Raulf komplettierte den Quartettsound mit Tenor-und Baritonsax.
Eigentlich waren alle Bedingungen für ein begeisterndes Konzert vorhanden: einfallsreiche und witzige Musik, ausgezeichnete Musiker und genügend angetane ZuhörerInnen, aber wie gesagt irgendwas stimmte nicht. So war es „nur“ ein gutes Konzert. Nach knapp anderthalb Stunden verabschiedeten sich die Musiker, und trotz des allseits freundlichen Beifalls bestanden die BesucherInnen nicht einmal auf einer Zugabe. Arnaud
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