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Der Mieterstadt Berlin droht die Umwandlung

■ Tausende von Eigentumswohnungen beantragt/ 300.000 Mietern droht Vertreibung/ Umstrittene Anweisung Nagels

Berlin. In Berlin fehlen nicht nur 200.000 Wohnungen, Tausenden Berliner Mietern droht darüber hinaus die Umwandlung ihrer Heime in Eigentumswohnungen. Dies ergab eine Umfrage der taz bei Bezirksämtern. Die Gefahr, durch Umwandlung und Eigenbedarfskündigung aus seiner Wohnung vertrieben zu werden, ist in Charlottenburg am größten. Allein seit September registrierte das dortige Bau- und Wohnungsaufsichtsamt 140 Anträge auf Abgeschlossenheit für 3.099 Wohnungen. Die Abgeschlossenheitsanträge sind hinsichtlich der schall- und brandschutztechnischen Abgeschlossenheit einer Wohnung die baurechtliche Voraussetzung für ihre Umwandlung. Wurden keine baulichen Veränderungen vorgenommen, haben die Bezirksämter nur die Möglichkeit, die Anträge zu verzögern, nicht aber, sie abzulehnen.

In Wilmersdorf wurden von Juli bis Dezember 1992 108 Anträge für 1.754 Wohnungen gestellt. Davon wurden, so Baustadtrat Dietrich Maes (CDU), bereits 47 Bescheinigungen für 233 Wohneinheiten erteilt. In Kreuzberg beläuft sich die Antragsflut von Juli bis Mitte Dezember auf 93 Anträge mit 1.908 Wohnungen. Weitere 37 Anträge wurden bis zum 15. Januar gestellt. Nicht jeder Bezirk führt im übrigen eine eigene Statistik über die Zahl der von den Anträgen betroffenen Wohneinheiten. So wird aus Schöneberg lediglich die Anzahl der Anträge, 127, gemeldet, im Bezirk Spandau sind es 45.

300.000 Berliner MieterInnen droht die Vertreibung

Mit einem Anteil von 90 Prozent der insgesamt 1,8 Millionen Wohnungen ist Berlin eine ausgesprochene Mieterstadt. Von den 1,107 Millionen Wohnungen im Westteil wurden bis 1989 allerdings 90.000 Wohnungen umgewandelt. Zwar gibt es für die von Umwandlung betroffenen MieterInnen einen Kündigungsschutz von fünf Jahren, doch die Zahl von 10.000 Eigenbedarfskündigungen 1989 zeigt, wie groß der Druck auf die jeweiligen MieterInnen ist. „64 Prozent der damaligen Umwandlungsbetroffenen“, sagt Gerhard Heß von der Berliner MieterGemeinschaft, „wurden über kurz oder lang aus ihren einstigen Mietswohnungen vertrieben.“ Im Jahr 1989 kühlte allerdings das für Hausbesitzer lukrative Umwandlungsgeschäft merklich ab. Grund dafür war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Erteilung der begehrten Abgeschlossenheitsbescheinigung auch für Altbauwohnungen an die heutigen Schall- und Brandschutzvorschriften knüpfte und damit eine hohe Hürde für Eigentümer errichtete.

Dieses Urteil wurde jedoch am 30.Juni vergangenen Jahres vom gemeinsamen Senat der Karlsruher Gerichte wieder aufgehoben. Seither rollt auf die Kommunen zwischen Flensburg und Garmisch eine wahre Umwandlungswelle zu. Allein für Berlin rechnet der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, mit einem Umwandlungspotential von 200.000 Wohnungen und der möglichen Vertreibung von 300.000 MieterInnen. Daß diese Befürchtungen keineswegs übertrieben sind, zeigt die Tatsache, daß die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen allein für Oktober 1992 Abgeschlossenheitsanträge für 2.350 Wohnungen in Berlin registrierte. Dies sei, so Bausenatssprecher Weninger, seit der Karlsruher Entscheidung der bisherige Berliner Höchststand. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 1992 waren es lediglich 100 bis 200 Wohnungen, für die monatlich die Umwandlung beantragt wurde. Die Oktoberzahl stellt die Werte von 1984, dem Jahr mit der in West- Berlin bisher höchsten Umwandlungszahl, weit in den Schatten. Damals gab es, so Weninger, durchschnittlich 1.200 Abgeschlossenheitsanträge monatlich.

Bezirks-Baustadtrat schlägt Alarm

Bereits Anfang dieses Monats hatte der Tiergartener Baustadtrat Horst Porath (SPD) Alarm geschlagen. 77 Anträge auf Abgeschlossenheit für 1.694 Wohnungen hatte man im künftigen Regierungsviertel seit Juli 1992 registriert. Angesichts dieses „alarmierenden“ Anstiegs forderte Porath den Senat auf, die Bundesratsinitiative für ein Verbot von Umwandlungen in Ballungsgebieten zu unterstützen. Doch Bausenator Nagel scheinen derzeit ganz andere Sorgen zu plagen. Wie die Fraktion Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus gestern kritisierte, hatte die Senatsbauverwaltung bereits im Dezember die Bau- und Wohnungsaufsichtsämter unter anderem aufgefordert, Anträge auf Abgeschlossenheitsbescheinigungen künftig ohne Ortsbesichtigungen zu bearbeiten. Uwe Rada

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