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Bremsklötze für Ausstiegsdebatte

■ Deutsches Atomforum und Umweltministerium einig, VEBA-Chef auf dem Rückzug

Bonn (taz) – Die aktuelle Debatte über einen energiepolitischen Konsens dürfe keinesfalls in den mittelfristigen Ausstieg aus der Atomenergie münden. Diese gemeinsame Auffassung vertraten bei der Wintertagung des Deutschen Atomforums dessen Präsident Claus Berke und der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Clemens Stroetmann. Der Vorstandschef der VEBA, Klaus Piltz, der die Diskussion im Dezember ausgelöst hatte, legte ebenfalls ein Bekenntnis für die langfristige Nutzung der Strahlentechnologie ab. Dies sei auf Dauer jedoch nur möglich, wenn darüber ein gesellschaftlicher Konsens hergestellt werden könne.

Berke erklärte, ohne die Nutzung der Atomenergie sei das CO2-Reduktionsziel der Bundesregierung nicht zu erreichen. Die neu entflammte Konsensdebatte müsse „zügig geführt werden“, damit das Ergebnis vor Beginn der Wahlkampfserie 1994 vorliege. Berke ließ keinen Zweifel daran, daß er Atomenergiekritiker in dem anstehenden Prozeß für überflüssig hält. Für die vom ehemaligen Wirtschaftsminister Möllemann vorgeschlagene Konsens- Kommission („Ueberhorst-Kommission“), zu der auch Vertreter des BUND und des Öko-Instituts berufen werden sollten, sei „jetzt wohl kein Raum mehr“.

Staatssekretär Stroetmann wiederholte die Position der Bundesregierung. Die Kernenergie müsse „eine wesentliche Rolle im Energiemix“ spielen. Kernenergie dürfe nicht „lediglich eine vage Option auf die Zukunft“ sein. Eine Suche nach Alternativ-Standorten für ein Endlager könne es „nur neben, aber nicht an Stelle von Gorleben geben. Stroetmann machte sich auch für den derzeit von Siemens und Framatome gemeinsam entwickelten 1.500-Megawatt-Mammutreaktor stark, der ab 1998 errichtet werden soll. „Ermutigend“ nannte es Stroetmann, daß die SPD beginne, „sich neu zu orientieren“.

VEBA-Chef Klaus Piltz zog sich in seinem mit Spannung erwarteten Referat in wesentlichen Punkten von Positionen zurück, die er in seinem Schreiben an den Bundeskanzler im Dezember vorgetragen beziehungsweise mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder ausgehandelt hatte. So soll die umstrittene neue Hanauer Siemens-Anlage zur Produktion plutoniumhaltiger Brennelemente zu Ende gebaut und mindestens zehn Jahre betrieben werden.

Die Entscheidung über neue Kernkraftwerke soll zwar auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Von einer Zweidrittelmehrheit im Parlament für den Wiedereinstieg ist jedoch keine Rede mehr. Zum Endlager Gorleben solle man sich „auch international auf die Suche nach anderen Standorten begeben, könne aber später (etwa im Jahr 2000) ins Wendland“ zurückkehren, wenn sich die Rahmenbedingungen entsprechend geändert haben sollten. Piltz warnte die Atomgemeinde davor, den Durchmarsch zu versuchen. Statt dessen plädierte er dafür, zunächst einen Konsens über die laufenden Meiler „bis zum Ende ihrer technischen/ wirtschaftlichen Lebensdauer“ zu erzielen und danach einen umfassenden Konsens über die „Option für eine weitere Nutzung der Kernenergie“ anzustreben. Gerd Rosenkranz

Siehe Dokumentation auf Seite 10

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