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Schnee von gestern

Gestern nachmittag, viertel nach drei. Wieder einmal war es soweit: Bremen im Schnee. Dreijährige stiegen in die Schianzüge, Halbwüchsige wachsten ihre Bretter, Hauswirte putzten die Warnschilder „Dachlawine!“. Zehn Minuten später war der Zauber vorbei. Alle naß und grau wie gehabt.

Nie hatte der Bremer Winter solche Ladehemmungen wie in diesem Jahr. Gut, o.k., die lauen Softie-Winter der vergangenen Jahre: Klimakatastrophe, abschmelzende Polkappen, Verschiebung des Tropengürtels - verstanden, gebongt, geht durch die Kasse. Wahrscheinlich sogar globaler Paradigmenwechsel, astrologisch fundiert, empirisch abgesichert. Autoritäre Strukturen sind eben sowas von weg vom Fenster, Kälte und Abgründe sowas von out. Aber wenn sich dann doch noch mal sechs bis sieben echte Schneeflocken auf die Nase gesetzt haben ... verfällt man gleich wieder dem Alten Denken (Schneeballschlachten, Poesie in Weiß, rote Backen, wir verstehen uns).

Sollen wir die Hoffnung auf die Schneekatastrophe fahrenlassen? Ach was, wir rufen zum Herren Zebaoth: Schmeiß' Schnee und weh' ihn um und um! Du Herr der Tafeln und Gesetze! Hältst doch auch nichts von diesem windelweichen Erdgewimmel in immergleicher Pißfeuchte! Der Du Erde und Wasser schiedest. Schiedest! Schmeiß Schnee, daß wir unsere glühenden Gesichter reindrücken! Schlag' die blassen Narzisten, die sich lieber in Pfützen spiegeln!

Burkhard Straßmann

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