Rabin verschärfte Repression

■ Palästinensische Reaktionen auf Ghalis Vorstoß/ PLO legt Entwurf für Sanktionen gegen Israel vor

Tel Aviv (taz) – Die Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten haben die jüngsten Äußerungen von UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali in der Frage der deportierten Palästinenser begrüßt. Butros Ghali hatte am Wochenende gefordert, Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen, falls die Regierung in Jerusalem die Resolution 799 nicht umsetzt, in der die Rückführung der über 400 Palästinenser verlangt worden war.

Mittlerweile hat die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die in der UNO einen Beobachterstatus hat, einen Resolutionsvorschlag für Sanktionen gegen Israel vorgelegt. Danach soll Israel die Teilnahme an internationalen Konferenzen zur Menschenrechtsfrage verweigert werden. Ferner soll ein Embargo gegen alle israelischen Unternehmen verhängt werden, die in den besetzten Gebieten arbeiten. Sollte Israel bis zum 9. Februar nicht eingelenkt und die Deportierten zurückgebracht haben, sollen härtere Schritte folgen, hieß es seitens der PLO.

In Jerusalem begrüßte Haidar Abd-el Shafi, der Leiter der palästinensischen Verhandlungsdelegation, den Bericht und die Empfehlungen Ghalis. Er verlieh vor allem auch seiner Zufriedenheit Ausdruck, daß der Generalsekretär die Errichtung eines Überwachungsapparats der UNO für die besetzten Gebiete vorschlägt. Shafi sprach auf einer Ostjerusalemer Pressekonferenz, die das „Jerusalem Media & Communication Center“ ursprünglich einberufen hatte, um über neue israelische Unterdrückungsmaßnahmen in der Westbank und dem Gaza- Streifen zu informieren. Die Veranstalter legten Dokumente vor, die belegen, daß unter den 88 im letzten Halbjahr – also seit der Regierungsbildung von Jitzhak Rabin – von israelischen Soldaten erschossenen PalästinenserInnen nicht weniger als 25 jünger als sechzehn Jahre waren. Im Vergleich dazu wurden im ersten Halbjahr 1992, noch unter der Likud-Regierung, insgesamt 53 PalästinenserInnen vom Militär erschossen, darunter „nur“ 6 Kinder.

Alle SprecherInnen auf der Pressekonferenz wiesen darauf hin, daß sich die Lage der Palästinenser seit dem Regierungsantritt Rabins (Arbeitspartei) generell verschlechtert hat – mal ganz abgesehen von den Deportationen. Mehr Palästinenser sind ums Leben gekommen, seit es neue Auslegungen der Befehle zum Schußwaffengebrauch gibt. Außerdem setzt die Armee jetzt häufiger Scharfschützen gegen Demonstranten ein.

Nach dem Jahresbericht des US-Außenministeriums lag die Anzahl der von israelischen Soldaten erschossenen Palästinenser im Jahre 1992 um 62 Prozent höher als im Vorjahr. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Palästinenser, die von als Araber maskierten Mitgliedern israelischer Einheiten getötet wurden. Mitglieder dieser Truppen neigen dazu, „verdächtige Palästinenser“ auch dann zu erschießen, wenn eine Gefangennahme möglich gewesen wäre.

Außerdem ist unter der Rabin- Regierung ein neues System der Zerstörung von Häusern als Kollektivstrafe – ohne vorherige Warnung und ohne Möglichkeit, gerichtlichen Einspruch zu erheben – eingeführt worden. Nach Angabe von Rechtsanwalt Raji Surani hat es unter der Rabin-Regierung 16 Militäraktionen in Gaza gegeben, in deren Verlauf 56 Häuser zerstört wurden. Nach Angaben von Zahava Galon, der ehemalige Leiterin der „Bazelem“, dem Menschenrechts-Informationszentrum in Westjerusalem, werden in letzter Zeit Häuser von Palästinensern immer häufiger im Zuge miltärischer Suchaktionen, mit Hilfe von Sprengmitteln, Raketen und Brandstoff zerstört.

In einer Reaktion auf diese Anschuldigungen sagte ein Militärsprecher, daß die Kinder zumeist erschossen wurden, weil sie sich an Störungen der öffentlichen Ordnung beteiligt haben oder sich in der Nähe von Demonstranten aufhielten und dabei irrtümlich getroffen worden seien. Was den Raketenbeschuß von palästinensischen Häusern anbelangt, so käme es dazu, wenn israelische Militäreinheiten auf der Suche nach bewaffneten Personen seien, die bei der Bevölkerung Unterschlupf finden. Den vom Militär in Häusern versteckten Palästinensern werde zuerst die Möglichkeit gegeben, sich zu ergeben. Die Verwendung verschiedener Kampfmittel beim Aufspüren der Versteckten diene dazu, das Risiko der israelischen Truppen zu verringern, erklärte der israelische Militärsprecher. Amos Wollin