: Professoren auf die Hosenböden!
■ Wissenschaftssenator Scherf zu Studiengebühren, Zwangs-Exmatrikulation und Massen-Uni
Professoren auf die Hosenböden!
Wissenschaftssenator Scherf zu Studiengebühren, Zwangs-Exmatrikulation und Massen-Uni
Erfrischend deutliche und auch überraschende Worte sprach gestern Wissenschaftssenator Henning Scherf als erster Landes- Minister zum Thema Studienreform. „Ich hatte nicht etwa Grund, vor den StudentInnen wegzulaufen, als sie so zahlreich demonstriert haben; ich war in Bonn. Und ich stimme mit ihnen in weiten Teilen überein.“ Zum Thema Studiengebühren: „Mit mir nicht!“ sagt Scherf, „das ist richtig gegen meine Grundüberzeugung und bringt finanziell auch gar nichts.“ Zum Thema: Zwangs-Exmatrikulation, also Hinauswurf aus der Uni oder Hochschule nach allzu vielen Semestern: „Mit mir nicht“, sagte Scherf, „das ist ein Disziplinierungs-Mittel, das die eigentlichen Ursachen für die allzulange Verweildauer verfehlt.“ Problematisiert werden müßte vielmehr die „Schieflage“ im Verhältnis von Forschung und Lehre: „Einige Professoren hängen sich richtig rein und ackern wie die Gäule, arbeiten sich müde, und andere denken mehr an ihre Veröffentlichungs-Liste und an internationale Kongresse. Die möchte ich gern an ihre Dienstverpflichtungen erinnern, ganz kollegial.“
Die Bremer Uni fährt inzwischen mit 100 Prozent Überlast. Da sei es unerträglich, daß Professoren die angebotenen Lehrinhalte nicht an der Prüfungsordnung, sondern an ihren wissenschaftlichen Spezialinteressen orientierten, so Scherf; „da darf man nicht auf die angeblich studierunwilligen Studenten einschlagen.“ Um seinen Vorstellungen Nachdruck zu verleihen, will der Senator künftig finanziell, mit Personal- und Sachmitteln, die ProfessorInnen „prämieren, die sich in der Lehre auf den Hosenboden setzen“, die anderen müßten „mit Knappheit bedrängt werden“. Scherf: „Immer mehr ehrgeizige Hochschul-Lehrer fühlen sich durch die lästige und mühselige Lehre gehindert an Forschung und Veröffentlichung — so darf die Lehre nicht unter die Räder kommen!“ Schon bei Berufungsverfahren müsse qualifizierte Lehre „so viel gelten wie lange Veröffentlichungs-Listen“.
Geld für solche Prämien ist vorhanden. Anders als im Schulbereich, wo er „mit dem Rücken zur Wand“ stehe, sei der Hochschulbereich „unbestritten mit Priorität auszubauen“; 60 Millionen sind ungekürzt bis 1994 angesetzt, und das Sanierungsprogramm sieht gar eine ganze Millarde Mark für Uni und Hochschulen vor.
„Nicht einig“ weiß Scherf sich mit den Studenten beim Thema Studien-Neuorganisation. „Ich finde die Differenzierung von berufsorientierten und wissenschaftlich ausgerichteten Studiengängen richtig“, stellte Scherf klar. Dies sollte „keine Verschulung und Entwissenschaftlichung“ des grundständigen Studiums bedeuten. Eine umfassende Reform des Studiums sei dringend geboten: 30 bis 40 Prozent der Studierenden brechen ohne Abschluß das Studium ab; mahr als 40 Prozent eines Jahrgangs studieren inzwischen immer länger. Scherf: „Wir müssen versuchen, die Studenten als Träger des Reformprozesses zu gewinnen.“ Susanne Paas
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