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Herztöne und Chaos in der Kammer

■ Peter Beier, Kulturreferent der Bremer Angestelltenkammer, sorgt für Musik, Theater, Video und Chaosthe orie

Die Angestelltenkammer hat einen „Kultursaal“, der ursprünglich eine Gastwirtschaft war. Und sie hat einen eigenwilligen Kulturreferenten, der Kontakte pflegt zur Bremer Kunst- und Literaturszene, der Musik und Chaosforschung schätzt und vor vielen Jahren eine Dissertation über Nietzsches Ästetik angefertigt hat.

Kulturreferent Peter Beier sorgt für ein frei flottierendes Kulturprogramm: mit Ausstellungen (argentinische Künstlerinnen ebenso wie Karrikaturist Til Mette) und mit Konzerten von Free Jazz bis zu klassischer Musik. Im letzten Jahr, als der Kulturreferent etwas arg geschwächt im Krankenhausbett lag, da hörte ein Quartett seine Herztöne ab und komponierte daraus eine unrugig-rhythmische Musik.

Im Kultursaal spielen Volks- Theaterstücke wie z.B. das in Auftrag gegebene: „Lob der Faulheit“. Es gibt Lesungen mit Bremens Spezialautoren von Alberts bis Augustin und Kabarett und gelehrte Vorträge.

„Im Grunde haben wir keine feste Klientel für unsere Veranstaltungen“, sagt Peter Beier in seinem Büro aus Schwarz und Rot: „Angestellte“, das ist die Parfümverkäuferin bei Horten, der Systemanalytiker bei Erno oder die Lehrbeauftragte an der Uni. Von der gewerkschaftlichen Seite her höre ich immer wieder, wir sollten ein eindeutigeres Programm machen: Arbeitgeber — Arbeitnehmer, Unterdrücker — Unterdrückte. Aber ich will nicht mit fertigen Lösungen arbeiten, ich will die Leute möglichst überraschen.“

Das hat er vielleicht mit dem Start eines Monatsmagazins auf dem Offenen Kanal getan. Die „Bremer Geschichten“, zu deren Textanteil Peter Beier selbst nicht schlecht beigetragen hat, sind mit einem Mini-Etat von 6000 Mark und unter Beteiligung von Bremer Künstlervolk entstanden. „Ehrlich gesagt — ich zittere ein wenig vor der ersten Reaktion. Die Gewerkschaft findet eh, daß wir zuviel Geld rausschmeißen. Und die Videoszene wird an uns einen Perfektionsanspruch stellen, den wir niemals erfüllen können. Aber ich möchte, daß es ein Satiremagazin gibt, das sich präzise und spielerisch zugleich auf bremischen Alltag bezieht“.

Einen Moment wirkt das Lächeln von Peter Beier müde, aber dann spricht er schon von einem nächsten Projekt: einem Symposium zur Chaosforschung, mit elektronischer und jazziger Musik, Fotographie und kultursoziologischen Vorträgen. „Typisch, werden sie sagen, die chaotische Angestelltenkammer veranstaltet das Chaos. — Aber es sind Grenzüberschreitungen.“ Cornelia Kurth

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