■ Vorlauf
: Im Panoptikum: "Schneeweißrosenrot", West 3, 22.30 Uhr

„Schneeweißrosenrot“, West3, 22.30 Uhr

Der Film ist ein zerfleddertes, kakelbuntes Bilderbuch: auf jeder Seite eine neue Figur. Um die Zwillinge Gisela und Jutta geht es, die von der verblassenden Aura kranker Diven umgeben sind. Gisela hat es bis zur abgefundenen Ex-Frau des Millionenerben Paul Getty III gebracht. Christa Ritter und Rainer Langhans haben den von der Yellow Press abgenagten Stoff aufgewärmt und nennen das Ergebnis einen „Doku-Rock 'n' Roll-Wilde-Frauen-Aufbruch“. Das ist Etikettenschwindel: Ein Aufbruch, gar der Aufbruch der Frauen, ist nicht das Thema. „Schneeweißrosenrot“ ist mehr ein Jahrmarkt der Eitelkeiten.

Namedropping als Filmprinzip: Mick Jagger, Alexander Kluge, Andy Warhol, Bob Dylan. Alle hatten zu tun mit den Zwillingen aus Kassel und erinnern sich. Kommt die Rede auf Jutta und Gisela, verklären sich die Gesichter. Die Befragten, die nicht von sich aus mitspielen, werden in Szene gesetzt: Wim Wenders etwa – seine Stimme hallt vor blauem Himmel und Holzgestell. Bei den meisten ist Inszenierung nicht nötig: Bommi Baumann, Michael Geißler, Juttas Ex-Gatte Adolf Winkelmann, schwatzsüchtig allesamt. Einzig Irm Hermann fällt aus dem Rahmen. Langhans selbst, Mitbegründer der „Horror- Kommune I“ (Filmtext), hat auch eine Rolle: als Supervisor der Schwesterngespräche und mit eigenen Auftritten in Guru- Pose. Langhans kann es nicht lassen, sein Weltbild samt dazugehörigen Lebensregeln zu verkünden: „Wenn du nicht so hoch geflogen wärst, würdest du jetzt nicht so leiden“, belehrt er Gisela und untermalt seine Botschaft mit Bildern von Paul Getty, der seit dem Erwachen aus dem Drogenkoma behindert ist.

Adolf Winkelmann erhebt allerlei Irrungen und Albernheiten der Schwestern zum ästhetischen Lebensprinzip: „Die fanden das ungeheuer schick, sich mit ihrem schwarzen Ebenholzhaar und weißer Haut vor roten Fahnen fotografieren zu lassen.“ Kunstprofessor Bazon Brock sekundiert dieser These. Die Achtundsechziger und so, in Deutschland, Italien, Amerika – sämtliche Vorurteile über den Urban Lifestyle in Westeuropa und Amerika sind gebündelt. Der Film ist keineswegs schlecht; nur unfair und maniriert: Er führt in ein Panoptikum der peinlichen Gestalten. Friederike Freier