Südafrikas letztes Apartheid-Jahr?

■ Heute tritt das weiße Parlament in Kapstadt zusammen

Johannesburg (taz) – Südafrikas Präsident Frederik W. de Klerk wird heute wahrscheinlich zum letzten Mal mit altem Prunk eine Sitzungsperiode des weißen Minderheitsparlaments in Kapstadt eröffnen. In Gesprächen während der letzten Tage konnten sich zwar der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) und die Regierung noch nicht endgültig einigen; aber alle Zeichen sprechen dafür, daß bereits im März die seit Mai 1992 unterbrochenen All-Parteien-Gespräche wiederaufgenommen werden können.

Regierung und ANC einigten sich zu einem großen Teil über die Frage der Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung: Sie sollen spätestens im ersten Quartal von 1994 stattfinden. Der Urnengang soll von einer unabhängigen, zwölfköpfigen Wahlkommission geleitet werden. Die Besetzung des Gremiums muß noch diskutiert werden, aber beide Seiten vereinbarten bereits, drei Sitze an ausländische Spezialisten mit vollem Mitsprache- und Stimmrecht zu vergeben. Südafrikas Regierung ist grundsätzlich bereit, die Wahl von ausländischen Beobachtern überwachen zu lassen. Experten glauben gerade angesichts der wieder zunehmenden Gewalt in Südafrika, daß in jedem der etwa 6.000 Stimmlokale zwei ausländische Beobachter nötig wären – insgesamt mehr 12.000 also. Ob für einen so massiven Einsatz eine Finanzierung gefunden werden kann, wird bezweifelt.

Immer noch steht eine Einigung in der Frage der Sicherheitskräfte aus. ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa erklärte, Südafrikas neue Armee solle aus den Gruppierungen der Befreiungsbewegungen, der „Homeland“ genannten Schwarzenreservate und der bestehenden Streitkräfte gebildet werden. Südafrikas Militärführung will aber nur einer Eingliederung einfacher Soldaten zustimmen und sein gegenwärtiges Offizierskorps beibehalten.

Beide Seiten vereinbarten eine weitere Runde von Gesprächen für die erste Februarhälfte. Beobachter glauben, daß die gegenwärtigen Verhandlungen nach Monaten des Stillstands gute Erfolgsaussichten besitzen. Staatspräsident de Klerk wird allerdings nicht wie erhofft in der Lage sein, das Parlament mit der Verkündung eines Verhandlungsergebnisses eröffnen zu können. So bleibt ihm Zeit, sich dem anderen Schwerpunktthema dieses Jahres zu widmen: der Wirtschaftskrise. Südafrika befindet sich in der schlimmsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Wirtschaftkreise hoffen, daß de Klerk Maßnahmen verkünden wird, die die lahme Ökonomie wieder ankurbeln. Willi Germund

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