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Harte Zeit für einarmige Banditen

Steuern und Unweltbestimmungen quälen die Automatenbranche/ Gegenoffensive mit Selbstbeschränkungen und Sportautomaten  ■ Aus Frankfurt/Main Heide Platen

Es faucht und summt, flimmert und rasselt, gröhlt und blinkt im Erdgeschoß der Halle 5 auf dem Frankfurter Messegelände. Es ist, wie jedes Jahr, „ima“ – die 14. Internationale Fachmesse Unterhaltungs- und Warenautomaten. Nur: In diesem Jahr hat die Branche großen Kummer.

Die Erhöhungen der Vergnügungssteuersätze füllten seit 1988 kurzfristig die Kassen der Kommunen: vorübergehend nahmen die Stadtkämmerer mit rund 5,1 Millionen mehr als doppelt soviel ein wie zuvor. Die Wirkung der Steuern aber, so das Fachblatt Münzautomat, sei ebenso langfristig wie verheerend – für die Branche und für die öffentlichen Haushalte. Während die 5.000 Betriebe 1991 noch 770 Millionen Mark Umsatz machten, sank er 1992 um rund 15 Prozent auf das Niveau von 1990 zurück. Die Anzahl der versteuerten Spielautomaten sei rückläufig. Und auch dieses Jahr seien „noch keine Anzeichen für das Erreichen der Talsohle erkennbar“, so ein Branchenvertreter. Am meisten klagten die Importeure; bei den Exporten aber sind immer noch leichte Steigerungsraten zu erkennen. In einigen Betrieben ist inzwischen Kurzarbeit angesagt.

Daran änderte auch der immer noch vorhandene „Nachholbedarf“ in den neuen Bundesländern nichts. Im Gegenteil: Dort vor zwei Jahren aufgestellte Automaten müssen heute gebraucht gehandelt werden, weil die Spielstätten sich nicht rentierten. Und auch Getränkeautomaten verkaufen sich schlechter, weil sie inzwischen höhere Umweltauflagen erfüllen müssen. Geldspielautomaten haben nur noch in den GUS-Staaten Konjunktur. Dort ist die Zeit noch nicht ganz reif für Flipper und Video-Games.

Selbstkritische Öffentlichkeitsarbeit und die Selbstbeschränkungsvereinbarung des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) sollen aus der Krise helfen: Gewinnbeschränkung auf höchstens 50 Mark und drei Minuten Zwangspause nach einer Stunde Spieldauer wurden festgelegt.

Aber was nützt das alles, wenn die Kunden zu Hause bleiben. Seit Jahren hatten die Spielhallen und Gaststätten – wegen der Steuern – von den Geldspielautomaten auf Computerspiele umgerüstet, bei denen es nichts zu gewinnen und folglich auch wenig zu versteuern gab. Nun sitzen die Kinder trotzdem daheim vor dem eigenen Game-boy oder Heim-Computer – und stressen sich dort ganz ohne Geldeinwurf. Da hilft es auch nichts, wenn die Spielhallen-Monitore immer größer, immer bunter werden und ganz wundervolle Drachen und Phantasieungetüme sie – zum Abschuß frei – bevölkern.

Ein Novum der Branche ist der Anstieg der sogenannten Sportautomaten vom Laser-Dart bis zum elektronischen Tontaubenschießen. Die größten Konkurrenten gehen mit dem Schießgewehr und unterschiedlicher Technik in den Kampf. Die einen lassen mit Laser zielen, die anderen mit Lichtpunkten und Fotozellen. Andere setzen nicht auf die krude Zielscheibe, sondern gleich auf bewegte Bilder. Da stehen sie nun, die potentiellen Helden der Spielhöllen und erproben ihre Treffsicherheit aus der Hüfte. Wechselnde Filmausschnitte erlauben das Abschießen der Belegschaften ganzer Saloons. Wenn zum Spielende die laszive Dame mit Gewehr auftaucht, kichern die Herren meist verlegen und senken ganz von selbst den Lauf der Waffe. Im realen Leben wären sie jetzt schon mausetot.

Auch Cyberspace ist auf der Höhe der Zeit. Der Erlebniscomputer in der Vorführkoje ist dichtumdrängt. Der Spieler sitzt eingezwängt in der Kanzel, den Sichthelm auf dem Kopf. Die Umstehenden nehmen regen Anteil und kommentieren seine unkontrolliert zappelnden Hand- und Körperbewegungen. Ein Monitor zeigt erbarmungslos die Crash-Landungen des Bruchpiloten, eine Stimme im Off mahnt mit leicht verzweifeltem Zungenschlag: „Please be carefull this time“. Keine Hoffnung, der Mann rast gerade frontal auf einen Kirchturm zu.

Auch die Real-Welt in der Real- Zeit ist voller Automaten. Im ersten Stock der Frankfurter Messehalle reihen sie sich aneinder: Kontrollen für Plastikkarten, Überwachungssysteme, Spieluhren, Lüftungsanlagen, Reinigungsmaschinen, Gläserspüler und automatische Schnapsportionierer. Die schwätzenden Kaugummispender haben zu Papagei und Affe noch zwei Bärchen dazu bekommen, die damit drohen, bei Münzeinwurf ein Lied zu singen. Die elektronische Geldzähl- und Sortiermaschine könnte angesichts der sinkenden Dienstleistungen und steigenden Gebühren der Banken eine große Zukunft haben. Am Ende füllt sie die Münzen abgezählt in vorgefertigte Papierhülsen.

Einer der Branchen-Großen, die Firma Gauselmann, hat ihren musealen Fundus geplündert und präsentiert Waren- und Spielautomaten seit der Jahrhundertwende. Da legen Klapperstorch und Huhn gegen Geldeinwurf ein Ei. Zur Warenausgabe, instruiert eine Schokoladenfabrik, „ziehe man am Ringe“. Der Automat, in dem sich zwei Boxer mit markiertem Punkt am Kinn attackieren, stand 1937 in den USA. Irgendwann möchte die Firma damit ein Museum einrichten.

Ein Buch über „Historische Münzautomaten“ ist gerade erschienen. Das alles ist wunderschön und so nostalgisch wie die Spieldosen, die verschnörkelten Billardtische und – Renner der Saison – die blitzenden Neuauflagen alter Musikboxen.

Der Sturz in die Gegenwart ist tief: Da steht eine gelbe Kiste und eine männliche Schmusestimme spricht von „Revolution“ und „neuer Automatengeneration“, der es gelungen sei, „bisher hochkomplexe Brüh- und Garvorgänge zu realisieren“. In seinem Inneren bereitet der „Pommes-Meister“ frische Pommes frites „in 40 Sekunden“.

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