: "Morgenrot"
■ Das Heldenlied der deutschen U-Boot-Leute / Deutschlands bisher bester Tonfilm
„Morgenrot“
Das Heldenlied der deutschen U-Boot-Leute / Deutschlands bisher bester Tonfilm
Mit einer Welturaufführung lief gestern im Metropol-Theater in Bremen der große Ufa-Tonfilm „Morgenrot — Das Schicksal eines deutschen U-Boots im Kriege“ an. Am Ende der Vorstellung klatschten die Besucher voll ehrlicher und tiefer Begeisterung (...) Dazwischen lag ein Erlebnis, wo aus den Stunden Jahre wurden und wo aus dem Streit der Gegenwart Deutschlands Kampf um Sein oder Nicht-Sein wieder aus der Erinnerung zu neuem Leben erwachte.
Nur ein U-Boot mit einer Besatzung von 31 Mann, nur eine Kleinstadt und darin herausgehoben drei Menschen. Um diese Pole kreist das gewaltige Geschehen des Kampfes der Nation (...) Die endlose Straße der Schienen führt die Transportzüge an die Front, und die andere Seite bringt die wunden Kämpfer wieder zurück.
(...) Wer früher einem alten U-Bootsfahrer erzählt hätte, daß das Tauchen seines Schiffs, das Leben und Treiben im Inneren des Bootes, ja selbst Kriegsfahrten mit allen Freuden und Leiden des deutschen U-Boot-Mannes noch einmal im Tonfilm wie lebendig in Geräusch und Bild vor seinen Augen stehen würden, den hätte er sicher ausgelacht.
Deutschland hat keine U-Boote mehr, seitdem es sich die Waffe, die die deutsche Flagge sieggewohnt über die Meere trug, verblendet aus der Hand nehmen ließ. Wir mußten daher, um diesen Film überhaupt aufnehmen zu können, bei fremden Nationen betteln gehen. Der Deutsche Regisseur und die Ufa fanden in der finnischen Marine die rechte Unterstützung.
(...)Unerschöpflich scheint Deutschlands Kraft, wenn die Transportzüge unermüdlich an die Fronten eilen. Draußen auf hoher See aber fährt ein einsames U-Boot zum Angriff auf einen Kreuzer an. Jede einzelne Phase dieses Angriffs erlebt der Zuschauer mit. Er wird in die Spannung, die an Bord herrscht, hineingerissen und fiebert ebenso dem Ergebnis der abgefeuerten Torpedos entgegen wie die Leute an Bord.
Ein anderes Bild: Nach dem Kampf mit der U-Boot-Falle, der in seltener Realistik in Ton und Bild erscheint, wurde das U-Boot vom englischen Zerstörer bis auf seinen Kern vernichtet. Von 31 Mann der Besatzung leben noch zehn und für diese zehn sind nur noch acht Tauchretter da. Diese Szene der mit dem Leben abschließenden U-Boot-Leute ist wohl das Größte und Tiefste von allem. Über diese Gefühle zu schreiben, wäre Vermessenheit.
Wir sind gewiß, daß mit einem Begeisterungssturm in ganz Deutschland dieser Film aufgenommen wird, denn er ist in seiner Einfachheit und Schlichtheit ein heroisches Denkmal der deutschen U-Boot-Waffe und außerdem unserer Ansicht nach der beste bisher gedrehte deutsche Film.
Die hölzernen Kreuze
Zu gleicher Zeit mit dem U-Boot- Film haben Europa-Palast und Schauburg das Wagnis auf sich genommen, einen französischen Kriegsfilm, der den Titel „Hölzerne Kreuze — Jenseits der deutschen Gräben“ trägt, zur Aufführung zu bringen. Wir sagten „Wagnis“ und sagten es mit Recht(...) Raymond Bernard schuf hier einen Kriegsfilm, der weit über das Maß dessen hinausgeht, was wir bisher an derartigen Filmen sahen. Mit einer fast grauenhaften Realistik zeigt er das Antlitz des Krieges in seiner ganzen Furchtbarkeit.
Manchmal ist es, als ob man nur Sprache und Uniform tauschen müßte, um zu der Einheit des Lebens in den Gräben überhaupt zu gelangen. Immer näher führen die technischen Möglichkeiten auch den Tonfilm an die Wirklichkeit heran. Menschliche Darstellungskunst und Einfühlungsvermögen gestalten das Erlebnis des Krieges zu eindringlicher und erschütternder Wucht für die, die ihn nicht erlebten.
Wir anderen aber, die wir an der Front waren, wir sagen zu diesem Film freudig: „Ja, so war es!“, denn der Film ist groß in Anlage und Durchführung, denn er schlägt mit seinen Bildern wie ein Trommelfeuer auf die Herzen und Hirne der Besucher ein.
Es fehlt nur das Letzte, das eben nicht darzustellen ist: nämlich die Hineinziehung der bisher Unbeteiligten in den Bannkreis der Gefahr, in das Reich des Schrecklichen, das sich in seinem Inferno auf einem Kirchhof abspielt, um erst den überwältigenden Begriff von der Pflichterfüllung der Nation gegenüber, der man nach Blut und Rasse angehört, zu bekommen. Dann kommt auch das Begreifen der Größe. Nicht nur einmal hineinzugehen in den Kampf, sondern immer und immer wieder. Bis zum Ende.
So haben wir hier in Bremen augenblicklich zwei Filme, die zeigen, wie der letzte Einsatz für die Nation aussieht. Mögen diese ihrem Werte gemäß den Besuch finden, den sie verdienen. Hein Gehrels
„Bremer Nachrichten“ vom 31.1.1933
(Anm. der Red.: In der Vorankündigung zu dem Film in französischer Originalfassung wurde betont, daß er „nun endlich von der Zensur freigegeben“ wurde.
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