piwik no script img

Dachbegrünung: Eine Wissenschaft für sich

Bepflanzung von Dächern hat viele Vorteile / Die billigste und einfachste Variante ist die „Extensivbegrünung“ mit Kräutern, Gräsern und Moosen/ Der Clou: Elefantenhaut  ■ Von Peter Thun

Berlin. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. So lautet eine beliebte Lebensweisheit, die ein Objekt ziemlich mißlich behandelt: das Dach. Ob Schräg- oder Flachdach, beide können zu ökologischen Nischen werden, wenn sie sich in kleine grüne Oasen verwandeln. Dachbegrünung ist hier das Stichwort. Die Taube sitzt dann nicht mehr alleine, der Spatz neben ihr, und die beiden erhalten noch Gesellschaft von anderem Getier.

Die Bepflanzung von Dächern ist eine Wissenschaft für sich. „Das ist ein weitgefächertes Feld“, umschreibt Manuela Roy von der Gartenbaufirma „pluta“ in Marienfelde die Möglichkeiten, die sich bei Neu- und Altbauten ergeben. Die billigste und einfachste Variante, das Dach zu bepflanzen, ist die „Extensivbegrünung“, „Kräuter, Gräser und Moose werden da gesät“, erzählt Diplom-Ingenieurin Manuaela Roy.

Etwa 100 Mark kostet ein Quadratmeter begrünte Fläche; die regelmäßige Pflege nicht mitgerechnet, die bei der „extensiven Dachbegrünung“ allerdings nicht so aufwendig ist. „Die Begrünung erfolgt zumeist mit genügsamen, pflegeleichten und rasch regenerierbaren Pflanzen“, erklärt ein Mitarbeiter des Fachverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Zu empfehlen seien „ergänzende Farbtupfer“ durch Zwiebelgewächse“.

Probleme mit der „extensiven Begrünung“ könne es im Sommer geben, meint Manuela Roy. „Wenn es wie im vergangenen Sommer sehr heiß ist, sterben die Pflanzen.“ Auf dem dünnen Untergrund könne sich die Feuchtigkeit nur schwer halten. Für ökologisch sinnvoll erachtet die 34jährige eher die „intensive Dachbegrünung“. Diese ist nichts anderes als ein richtiger Dachgarten, der nicht mit einfacher Bepflanzung verwechselt werden darf.

Für die „Intensivbegrünung“ gibt es keine Preisgrenzen. „Sie ist nach oben offen“, sagt Manuela Roy. Die Grünfläche kann wie ein „echter“ Garten gestaltet werden: mit Blumen, und Sträuchern, sogar kleine Bäume gedeihen dort. Voraussetzung ist jedoch, daß eine wesentlich dickere Erdschicht aufgetragen wird als bei der Billigvariante. Das Dach muß tragfähiger sein, die Statik muß stimmen.

Davon hängt sowieso ab, ob ein Dach begrünt werden kann und darf. „Auf jeden Fall beim Bauamt nachfragen“, rät Manuela Roy. Während der einfache Kräuter- und Grasbewuchs ein Gewicht von etwa 50 Kilogramm pro Quadratmeter bedeutet, kann die Belastung bei einem Dachgarten um das Mehrfache höher sein. „Manchmal ist eine Baugenehmigung notwendig“, weiß Manuela Roy, die ihre Ausbildung an der ältesten Gartenbauschule Berlins, der Technischen Fachhochschule, absolviert hat.

„Es ist es etwas anderes, einen Geräteschuppen zu bepflanzen als ein Wohnhaus.“ Eine Dachbegrünung werde deshalb meist nur noch vorgenommen, wenn Umbauten stattfänden. „Nachrüsten“ sei heutzutage jedoch auch kein Problem mehr. Und: Nur Fachleute ranlassen!

Ein Vorurteil gegen die Begrünung von Dächern gilt schon lange nicht mehr: durch die Wurzeln der Pflanzen würde das Dach beschädigt und undicht.

Der Gartenbaufachverband Berlin-Brandenburg hat sogar erkannt, daß „die schädlichen Temperaturextreme durch den Grünaufbau ausgeglichen werden, wodurch sich die Lebensdauer wesentlich erhöht“. „Viele Dächer sind nach 90 Jahren noch dicht“, berichtet Manuela Roy.

Das wichtigste ist, daß jede Dachbegrünung eine solide Grundlage hat. Zuerst wird eine „Trennlage“ verlegt, also eine Folie aus Kunststoff oder eine spezielle Dachpappe, um das Wasser abzuhalten. Die Neuköllner Firma Quandt bietet eine „wurzelfeste Gründachbahn“. Der Clou: die „Jumbo-Elefantenhaut CU 0,1 S 5 WU“ ist eine Einlage aus geprägtem Kupferband. „Das Kupfer ist 0,1 Millimeter dick“, erklärt Wolfgang Christoph, Mitarbeiter des Unternehmens. Damit werde das Schweißband – die Auflage wird zusammengeschweißt – wurzelresistent. Bis zu 150 Kilo pro Quadratmeter halte die Dachbahn aus.

Über die Trennlage wird dann die Dränage verlegt, damit das Wasser abfließen kann. Darüber kommen Filterschichten und schließlich die Vegetationsschicht. Die Vorteile gerade in einer Großstadt wie Berlin sind vielfältig:

–Flora und Fauna erhalten neuen Lebensraum;

–Ersatz für überbaute Flächen wird geschaffen;

–Regenwasser wird gespeichert, und die Kanalisation entlastet;

–die Luftfeuchtigkeit erhöht sich;

–Temperaturextreme auf dem Dach und damit im Haus entfallen;

–die Wärmedämmung verbessert sich;

–Außenlärm wird abgeschirmt.

Von einem Öko-Boom will Fachfrau Manuela Roy nichts wissen: „In Berlin gibt es schon seit der Jahrhundertwende Dachgärten.“ Tiefgaragen und Flachdächer würden schon länger begrünt. „In Süddeutschland gibt es mehr Dachbegrünungen.“ Berlin sei immer hinterhergehinkt. Wer etwas für die Umwelt tun möchte, könne sicherlich einen Beitrag leisten. Es sei „besser als nichts“.

Inzwischen würden Dachbegrünungen oft sogar schon von Bauämtern vorgeschrieben. Dann nämlich, wenn das Wohnumfeld verbessert werden soll. Finanziell unterstützen zwei Institutionen das Gemüsebeet über dem Eßtisch. Zum einen wird das Bauvorhaben im Sozialen Wohnungsbau mitgefördert, wie Uwe Sachs, Sprecher der Investitionsbank (früher Wohnungsbau-Kreditanstalt) verkündet. Seit 1990 sei dies im Programm der Wohnungsbauförderung. „Ein spezielles Angebot gibt es nicht.“ Die Förderung hänge vom Einzelfall ab.

Ein gesondertes Konzept hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz entworfen. Seit rund drei Jahren existiert das Programm „Grüne Dächer über Berlin“. In der Senatsumweltverwaltung beschäftigt sich sogar eine ganze Abteilung mit dem Thema Dachbegrünung. Informationen über Technik und Finanzierung sind dort und bei den Bezirksämtern erhältlich.

1991 und 92 wurden auf 27 öffentlichen Gebäuden des Landes Berlin Dachbegrünungen vorgenommen. Das erfuhr der Abgeordnete Hartwig Berger (Grüne), auf eine entsprechende kleine Anfrage von Bausenator Nagel (SPD). Im gleichen Zeitraum wurden auf 223 öffentlichen Gebäuden größere Flachdachsanierungen durchgeführt. Die Mehrkosten für Gründächer bezifferte Nagel mit 50 Prozent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen