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Zu jung für diesen Boulevard

■ Die Theatergruppe SNAFU spielt Simon Grays „Butley“

Ben Butley, Universitätsprofessor für Englisch in London, hat es nicht leicht. Sein einstiger Lebens-, jetzt nur noch Wohnungs- und Bürogefährte Joey war vier Tage verreist, ohne ein einziges Mal anzurufen. Überdies scheint sich dessen Beziehung zu Reg beunruhigenderweise zu festigen. Und als hätte Butley mit seiner Männergeschichte den Kopf nicht schon voll genug, taucht auch noch seine Frau Anne auf. Das Getrenntleben genügt ihr nicht mehr, sie will die Scheidung, um einen der größten Langweiler von London zu heiraten. Außerdem macht Edna Schwierigkeiten, eine Kollegin aus dem College, von den lästigen Studenten, die ihn immer wieder vom Problemelösen abhalten, ganz zu schweigen.

So widrig die Umstände auch sein mögen – am schwersten hat es Ben Butley mit sich selbst. Er ist zynisch, süßigkeitenabhängig, aggressiv, kindisch, intrigant, manisch eifersüchtig und entschlossen bisexuell. Und so einer, mag er im Umgang mit anderen auch streckenweise Oberwasser haben, unterliegt natürlich zum Schluß. Jeder weiß, daß Ben Butley am Ende von Simon Grays Drama einsam und verlassen sein wird, die Frage – wenn man sich zuschauend überhaupt etwas fragt – ist nur, wie es dazu kommen wird.

Die englischsprachige Theatergruppe SNAFU spielt dieses wortwitzige Stückchen Boulevard im Theater Freunde der Italienischen Oper. Die der Freien Universität angeschlossene Gruppe SNAFU, die sich selbst nicht als reine Laiengruppe verstanden wissen will, hat sich die Pflege britischer Gegenwartsautoren zur Aufgabe gemacht. So stimmig und überzeugend Simon Grays „Butley“ ist – SNAFU hat damit keinen allzu geschickten Griff getan. Denn eigentlich sind die Darsteller alle mindestens zehn Jahre zu jung. Und da sie ohne Maske spielen und auch sonst ihre Jugend kaum verhehlen, wird Tina Strobels Inszenierung durch diesen Umstand per se deutlich beeinträchtigt.

Hinzu kommt, daß kaum etwas so schwierig auf dem Theater ist, wie ein Boulevardstück. Eine inspirierte Regisseurin kann mit drei Putzlappen, vier Besen und einem Schauspieler grandios den „Hamlet“ inszenieren, bei Boulevard ist das Handwerk jedoch alles. Da müssen die Anschlüsse ineinanderhaken, die Türen klappern und die Gänge stimmen. Kurz: Tina Strobel und SNAFU haben es sich von vornherein sehr schwer gemacht.

Nigel Luhman als Butley federt durch Anja Winklers Doppelbüro, daß man im Stillen um seine Kniegelenke fürchtet. Seine kindisch- aufdringliche Heiterkeit, die vom Vater geliehene Brille sowie zwei lächerliche Wattebäusche am Kinn machen ihn zur perfekten Nervensäge. Oliver Rebellato als der scheidende Geliebte Joey ist da auf anspruchslos ernsthafte Art ein angenehmer Gegenpol. Und Regina Krauses zickige Dozentin Edna trägt sehr amüsant eine gefaßte Altjüngferlichkeit zur Schau. Insgesamt gelang ein vor allem vor der Pause dann doch recht kurzweiliger Abend, der das mehrheitlich britische Publikum entzückte. Petra Kohse

Aufführungen: täglich bis 31. Januar und vom 4.2. bis 7. Februar, jeweils 20.30 Uhr, Fidicinstraße 40

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