: Gegen die Rechtfertigung des Unrechts
■ Große Resonanz auf den Hochschultag gegen Rassismus an der Technischen Universität / Diskussion über spezifisch deutsche Gründe der grassierenden Fremdenfeindlichkeit / Rund 5.000 TeilnehmerInnen
Berlin. Wer oder was ist nun schuld an dem wieder aufkeimenden Rassismus in Deutschland? Die ungebrochene nationale Selbstherrlichkeit, die wirtschaftliche Rezession oder doch die Politiker mit ihren Sonntagsreden gegen Rassismus einerseits und den Asylrechtsverschärfungen andererseits? „Nicht der Rassismus ist eine speziell deutsche Angelegenheit, sondern die Rechtfertigung des Rassismus“, erklärte der Abgeordnete Ismael Kosan (Bündnis 90/Grüne/AL), einziger nichtdeutscher Teilnehmer an der Podiumsdiskussion während des gestrigen Hochschultages gegen Rassismus an der Technischen Universität.
Arbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit würden nur in Deutschland als Entschuldigung für die rassistischen Überfälle geltend gemacht, ergänzte Kosan. André Brie von der PDS vertrat die These, der Nationalismus sei politisch gewollt. Das zeige sich unter anderem daran, daß immer noch das völkische Staatsbürgerrecht von 1930 existiere und auch nicht hinterfragt werde.
Mehr als Streiflichter auf die Ursachen und Auswirkungen von Rassismus in deutscher Geschichte und Gegenwart kann es an einem Tag natürlich nicht geben. Mehrere Filme wurden gezeigt, unter anderem auch „Stau“, die umstrittene Dokumentation über jugendliche Rechtsradikale. Eine Diplomandin stellte Thesen zu den Argumentationsstrukturen rechter Jugendlicher vor, und in einem Rollenspiel wurden Reaktionen auf Gewalt getestet und später besprochen. Mehrere hundert TeilnehmerInnen besuchten einen Vortrag über die immer noch existierenden Verbindungen der Carl-Friedrich-Siemens-Stiftung des gleichnamigen Konzerns zu rechtsradikalen Gruppen, den der Gewerkschafter Rainer Heinrich am Vormittag hielt.
Nachmittags wurde das Thema durch ein Gespräch mit Mitgliedern der Widerstandsgruppe um Herbert Baum wieder aufgenommen. Baum war während des „Dritten Reiches“ Zwangsarbeiter bei Siemens. Für die Aufarbeitung von Geschichte ist die Technische Universität mit ihrer „braunen“ Vergangenheit sicher der richtige Ort.
Daß das Motto „Es reicht – gegen Rassismus und Faschismus“ dran war, zeigt die große Resonanz auf den Hochschultag. Etwa 4.000 bis 6.000 Studierende hätten trotz der sehr späten Ankündigung am Hochschultag teilgenommen, schätzte der AStA-Vorsitzende Bernd Steinhoff, der den Hochschultag mit organisiert hatte. akk
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